Seit 1887 | Das unabhängige Wochenblatt für Unterkärnten

»Mein Ruhestand? Darüber habe ich noch keine einzige Sekunde nachgedacht«Ausgabe 30 | Mittwoch, 24. Juli 2024

Seinen 70. Geburtstag feierte zuletzt Karl Markut. Er ist seit 33 Jahren Bürgermeister von St. Georgen, das Amt hält aber immer noch Überraschungen für ihn bereit. Und er wälzt weiter Pläne für seine Gemeinde.

E-Mail

0 Kommentare

Meist gelesen

Artikel

Sie feierten kürzlich Ihren 70. Geburtstag und sind seit 1991 Bürgermeister von St. Georgen. Kennen Sie Müdigkeit?
Nein. Habe ich nie gekannt.

Wie geht es Ihnen generell? Keine Beschwerden? Voll amtsfit?
Voll amtsfit. Ich stehe jeden Morgen gerne auf. Man muss im Leben ein wenig Struktur haben, ich habe sie schon seit 50 Jahren. Ich stehe früh auf, lese täglich drei Tageszeitungen, frühstücke ausgiebig, dann startet man schon gut in den Tag. Ich schneide jeden Abend eine Scheibe Schwarzbrot ab, damit sie tags darauf recht knusprig ist.

Sie sind der längstdienende. Bürgermeister im Lavanttal, mit dem Moosburger Herbert Gaggl gleichauf längstdienender in Kärnten. Hält das Amt noch Überraschungen für Sie bereit?
Ja. Ich will nicht sagen täglich. Aber es gibt immer wieder Überraschungen, selbst in einer Gemeinde mit 2.000 Einwohnern. Wir haben in St. Georgen in den vergangenen 30 Jahren immer viel gebaut und tun es heute noch. Wir haben 1991 bei Null begonnen, denn wir hatten keinerlei Infrastruktur, wir mussten alles errichten – vom Kindergarten bis zum Gemeindeamt, vom Feuerwehrrüsthaus bis zu Wohnhäusern. Wir hatten damals ein Gemeindewohnhaus mit sechs Wohnungen, heute sind es 114 Wohnungen. Wir haben gleich viele Bauparzellen umgewidmet und verbaut. Und der Bedarf ist weiter da. Wir liegen ja abseits in einem Seitental. Wir können nur als Wohngemeinde reüssieren und überleben. 

Welche Ziele wollen Sie in St. Georgen noch erreichen, was sind Ihre geheimen Pläne?
Geheime Pläne habe ich nicht. Es gehört zu meinem Wesen, dass ich über Pläne schon frühzeitig rede – manchmal ganz bewusst, um auszuloten, wie kommt ein Vorhaben an, ist es gewünscht, stößt es auf Widerstand? Keine geheimen Pläne also, aber Pläne gibt es.

Die da sind?
Wir müssen uns für die Zukunft wappnen und absichern. Es ist uns gut gelungen, die Infrastruktur aufrechtzuerhalten, es gibt kaum Gemeinden unserer Größe, die zwei Nahversorger haben, zwei Fleischereien, zum Glück noch Gasthaus, Arzt, Apotheke, Bank, Post, Volksschule, Kindergarten, Kindertagesstätte. Der Schwerpunkt liegt weiterhin darauf,  junge Familien in den Ort zu bekommen, denn das ist die einzige Zukunftsabsicherung.  

Was haben Sie in St. Georgen bewegt, worauf sind Sie stolz?
In Summe ist es die Wohngemeinde, denn die ist sichtbar. Wir haben natürlich auch Gebäude errichtet, einen alten Stadl umgebaut, ohne den wir ein Loch im Dorf gehabt hätten. Die Schule ist durch zwei Zubauten zur ganz modernen Bildungseinrichtung geworden. Die Musikschule, die wir etabliert haben. Wir haben sehr viel getan, dass sich Familien hier gerne niederlassen. Das ist das Um  und Auf.

Auf Ihrer Wikipedia-Seite steht auch zu lesen, Sie seien seit 2003 Bürgermeister. Haben Sie dafür eine Erklärung? Und: Gestalten Sie Ihre Wikipedia-Seite nicht selbst?
Nein, mache ich nicht. Ich wusste nicht, dass das dort steht.

Im Lavanttal ist der Bau von Windrädern sehr umstritten, Sie haben sich dafür eingesetzt. Erhielten Sie negative Reaktionen?
Nein, außer in einer Bürgerversammlung seitens der Jäger. Die hatten Vorbehalte und waren skeptisch, ob Windräder negative Auswirkungen auf das Wild, Fauna und Flora haben – und das haben sie nachweislich nicht.

Wie haben Sie Ihre Bürger von der Windkraft überzeugt?
Wir haben eine große Bürgerversammlung gemacht. Bei der waren hauptsächlich diejenigen, die Fragen hatten und Windrädern etwas reserviert gegenüberstanden. Die zweite Versammlung war fast ausschließlich mit den Jägern. Wir haben in unsere Wahlbroschüre ganz deutlich hineingeschrieben, was wir vorhaben, dass wir neben dem bereits genehmigten Windpark auf der Steinberger Alpe noch einen zweiten errichten wollen. Das Wahlergebnis (Anm.: Markut wurde 2021 im ersten Urnengang mit 62,03 Prozent als Bürgermeister wiedergewählt, seine »Liste Karl Markut – Team St. Georgen« erhielt mit 41,06 Prozent die meisten Stimmen) spricht für sich und war für mich Volksbefragung genug. 

Nun sind Sie wieder Landtagsabgeordneter. Was wollen Sie  im Landtag erreichen?
Der Hauptbeweggrund ist, dass sich mit dem Bau der Koralmbahn im Lavanttal so viele Chancen ergeben. Damit es auch zur Chance wird, ging ein wenig schleppend. Und dazu wollte ich meinen Beitrag leisten. 

Erwarten Sie wegen der Koralmbahn Zuzug in Ihrer Gemeinde?
Ja, auf alle Fälle. Wir haben das Glück, dass unser Gemeindegebiet ganz an den Bahnhof in St. Paul heranreicht. In diesen Ortsteilen Allersdorf und Unterpichling wollen wir in die Zukunft gerichtete Wohnprojekte errichten. Denn wenn dort der Technologiepark im Bereich des Bahnhofs entsteht, werden Menschen aus Graz, Klagenfurt, Villach ins Lavanttal kommen, um hier berufstätig zu sein, aber auch zu wohnen. Eigentumswohnungen sind vorgesehen, aber nicht wie üblich am Acker mit Parzellierungen,wo jeder baut, wie er meint. Sondern es gibt zeitgemäße Bauformen, die wir mit Fachleuten umsetzen wollen und für die wir jetzt die rechtlichen Voraussetzungen schaffen. Dann haben wir vor, gemeinsam mit Grundbesitzern Wohngebäude umzusetzen, bei denen man aus einem Gebäude drei Eigentumsobjekte macht, mit einem Carport und einem Pool in der Mitte, nicht mit sieben Pools und zwölf Carports.

Wie weit ist das gediehen?
Weit. Wir sind jetzt in der Phase des Örtlichen Entwicklungskonzepts mit unserem Ortsplaner, der das explizit hineinschreibt. Denn für normales Bauland ist es schwer, an der Peripherie eine Widmung zu erreichen, es geht nur mit alternativen Projekten. Im Raum Graz kosten Baugründe mittlerweile 500 Euro pro Quadratmeter, und es gibt fast keine mehr. Bei uns kostet der Quadratmeter jetzt 73 Euro, in den nächsten Jahre werden es wohl bei 100 Euro sein, denke ich. Das ist noch immer sehr günstig im Vergleich zu anderswo. Dank der Koralmbahn wird bei uns einmal eine sehr interessante Wohngegend entstehen. 

Wie sieht die Bevölkerungsentwicklung in St. Georgen aus?
Ganz schwierig. Wir halten kaum unsere Einwohnerzahl, obwohl wir keine Abwanderung haben, aber eine negative Geburtenbilanz. Das kann man nur durch Binnen-Zuzug kompensieren. Das heißt, wir müssen Bauland und Wohnraum schaffen, um die Menschen zu uns zu bringen. Wir lagen immer über 2.000 Einwohnern, zurzeit sind wir darunter. Das große Ziel ist, bei der nächsten Gemeinderatswahl 2027 wieder mehr als 2.000 Einwohner zu haben. 

Viele Gemeinden haben nun grobe finanzielle Probleme. Wie ist die Lage in St. Georgen?
Wir haben die Kosten immer flach gehalten. Das tun wir auch weiterhin. In den vergangenen Jahren ist es uns durch Reserven und Rücklagen gelungen, zu investieren. Wir bauen gerade eine Kindertagesstätte mit zwei Gruppen, wir schließen zwei Baugründe auf, wir haben auf der Brandlalm touristisch einiges vor. Wir kommen über die Runden, auch wenn es schwieriger wird. Wir bauen nur dann, wenn wir eine Finanzierung haben. Wir haben keine großen Abgänge im Budget.

Wie haben Sie das erreicht?
Etwa dadurch, dass es uns gelungen ist, in den vergangenen sieben Jahren die Gemeindeeinnahmen nahezu zu verdoppeln – durch geschickte Betriebsansiedlungen.

Frank Stronach, einst Gründer des Team Stronach, dem auch Sie angehörten, werden in Kanada Vergewaltigung und sexuelle Belästigung vorgeworfen. Was haben Sie gedacht, als Sie erstmals davon lasen?
Grauslich, habe ich mir gedacht, das ist wieder eine Geldbeschaffungsaktion mit Vorfällen, die angeblich 40 Jahre zurückliegen. 

Teilweise sollen sich die Vorfälle Anfang des vergangenen Jahres zugetragen haben.
Das habe ich nicht mitbekommen. Ich kenne Stronach viel zu wenig persönlich, um den Wahrheitsgehalt beurteilen zu können. Ich habe ihn einige Male getroffen und als Visionär kennengelernt. Es kann sein, dass er eine zweite Seite hat, die ich nicht kenne. Aber es ist tragisch, wenn sich da etwas herausstellen sollte. Wenn man mit 90 Jahren am Ende des Zenits mit so etwas konfrontiert wird, ist es für alle tragisch, ganz egal, um wen es geht. Da gibt es aus Amerika genug Beispiele, leider.

Wann wollen Sie sich zur Ruhe setzen?
Darüber habe ich noch keine Sekunde nachgedacht, ich lasse das  locker auf mich zukommen. Solange es mir Freude macht, möchte ich tätig sein. Sollte die Zeit kommen, in der ich in der Früh nicht mehr mag, kann ich reinen Gewissens sagen: Es reicht. Das ist jetzt nicht der Fall, ich mache es jeden Tag mit Freude. Geistig jung bleiben ist das Entscheidende.

Wie halten Sie sich körperlich fit?
Gar nicht. Abgesehen davon, dass ich jeden Tag schwimme, morgens und abends. Das ist alles. Und ein bisserl gesund leben, das kann man bei uns – mit Apfelmost und guter Kost.

0 Kommentare Kommentieren

Keine Kommentare gefunden!

Liebe Leserinnen und Leser, in diesem Kommentarbereich prüfen wir alle Beiträge, bevor sie veröffentlicht werden. Ihr Kommentar erscheint, sobald er gesichtet wurde.

Bitte melden Sie sich an, um die Beiträge zu lesen oder zu kommentieren.AnmeldenHier Registrieren