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Am Sonntag hat Kärnten einen neuen Landtag gewählt. Wie beurteilen Sie den Wahlkampf in Kärnten?
Es gab kein beherrschendes Thema, jede Partei hat versucht, ihr eigenes Thema in den Vordergrund zu stellen. Dadurch hat sich auch keine große Kontroverse ergeben. Man hat bei den Wahldiskussionen gesehen, dass alle fast ähnliche Positionen einnehmen. Es herrschte überwiegend Einigkeit. Es waren alle für geregelte Zuwanderung, keine Reduzierung bei den Tempolimits, alle waren für die Unterstützung sozial Schwächerer. Da haben sich nicht viele Unterschiede gezeigt.
Im Netz sah es allerdings ein wenig anders aus. Da ging es schon ein bisschen härter zur Sache. Da gab es einzelne Elemente von Schmutzkübelkampagnen. Und natürlich wurden auch bei internen Veranstaltungen oftmals deftige Worte für die Mitbewerber gefunden.
Bei diesem Landtagswahlkampf wurden weniger Plakate gesichtet als bei vergangenen. Ist das Plakat als Werbemittel tot?
Das liegt auch an der Wahlkampfkostengrenze von 500.000 Euro. Das ist jetzt nicht so viel Geld wie in anderen Bundesländern. Und natürlich müssen auch die Parteien sparen, einerseits wegen der Kostengrenze, aber wohl auch, weil viele Menschen die Wahlwerbung als Steuergeldverschwendung sehen.
Ich halte das Plakat nicht für ein totes Mittel, weil es das letzte Massenmedienmittel ist, über das man die Menschen erreichen kann, die sich sonst nicht für Politik interessieren. Man hat bei einer Umfrage unter jungen Menschen gesehen, dass viele die Kandidaten nicht mehr kennen. Das ist sicher auch eine Folge der wenigen Plakate. Da kann man mit den sozialen Medien nicht viel wettmachen, denn wenn ich mich nicht für Politik interessiere, spielt mir der Algorithmus auch keine Nachrichten rein.
Aufgrund welcher Kriterien treffen Menschen ihre Wahlentscheidung?
Ich glaube es gibt mehrere Faktoren. Die älteren Wähler sind noch eher emotional an eine Partei gebunden, sie zählen oft zur klassischen Gruppe der Stammwähler. Sie wählen traditionell eine Partei und bleiben ihr treu. Dann gibt es die Gruppe der Menschen, die das Gefühl haben, dass es aktuell nicht sehr gut läuft und die eine negative Zukunftsperspektive haben. Die wählen meist eine Oppositionspartei. Und dann gibt es die Menschen, die recht zufrieden sind und sich auch in den nächsten fünf Jahren keine Verschlechterung erwarten, die wählen dann die Regierungsparteien. Zusätzlich spielen natürlich auch Persönlichkeiten und Themen eine große Rolle.
Wie stark ist der Einfluss der sozialen Medien auf die Wahlentscheidung der Bürger und gibt es einen Unterschied zwischen den Generationen?
Die jüngere Generation hat keine anderen Informationsquellen mehr. Die sind nur in den sozialen Medien unterwegs. Hinzu kommt noch, dass seit der Coronapandemie Politik gerne umschifft wird, weil Diskussionen darüber sehr polarisierend sind. Man streitet oft, und daher werden politische Themen im Freundes- und Bekanntenkreis eher vermieden.
Im Oktober 2022 haben Sie in einem »Standard«-Interview gesagt, das Misstrauen gegenüber der Politik ist auf dem Höhepunkt. Hat sich die Situation seither verbessert?
Solche Erhebungen finden immer nur im Herbst statt, daher gibt es dazu keine neuen Fakten. Gefühlt würde ich aber nein sagen. Auch wenn ich mich in meinem Umfeld umhöre, ist das Vertrauen in die Politik nicht unbedingt gestiegen. Man könnte dadurch annehmen, dass die Menschen nicht wählen gehen. Aber wenn man sich vergangene Landtagswahlen – Tirol, Niederösterreich – anschaut, sieht man, dass die Wahlbeteiligung gestiegen ist. Menschen, die unzufrieden sind, gehen wählen und entscheiden sich für eine Protestpartei. Das ist vor allem in Kärnten interessant, denn da gibt es nicht nur die FPÖ, sondern auch das Team Kärnten.
Spielen die Politskandale der jüngsten Vergangenheit wie das Ibiza-Video, die Spesenaffäre von Strache, die Chats, das Beinschab-Tool usw. bei einer Landtagswahl eine große Rolle?
Es ist jetzt nicht so, dass die Leute sagen, ich wähle die FPÖ wegen dem Beinschab-Tool oder die SPÖ wegen dem Ibiza-Video. Es ist ja auch interessant, dass nicht einmal die Bezeichnung Hypo-Alpe-Adria im Wahlkampf oft verwendet wurde. Die Menschen haben es nicht vergessen, aber sie wollen es einfach nicht mehr hören. Und die Parteien thematisieren es nicht, weil sie wissen, dass der negative Eindruck von Politik auch auf sie selbst zurückfällt. Inzwischen haben leider viele Menschen das Gefühl, dass alle Parteien irgendwie korrupt sind. Misstrauen ist durch diese Skandale sicher entstanden, aber Misstrauen spielt eher Protestparteien in die Hände – und in Kärnten ganz besonders dem Team Kärnten. Die können sagen, wir haben mit diesen Parteien nichts zu tun.
Es gibt, abgesehen von der Liste Fritz in Tirol und dem Team Kärnten, nur traditionelle Parteien in den Landtagen. Warum ist Kärnten anders?
Das hat mit Persönlichkeiten zu tun. In Tirol war es der ehemalige Arbeiterkammerpräsident Fritz Dinkhauser, ein ÖVP-Mitglied, der sich dann mit einer eigenen Liste abgespaltet hat. Gerhard Köfer ist durchaus bekannt, populär und ein Politikprofi. Er hat seinerzeit die Chance mit der Finanzierung durch Frank Stronach genutzt und sich etablieren können. Das konnte er unter anderem auch, weil die ÖVP in Kärnten traditionell eher schwach ist. Und so ist er eine Alternative zu SPÖ und FPÖ.
Die MFG ist in Oberösterreich mit drei Mandataren im Landtag vertreten. Es ist eine Partei der Gegner der Corona-Maßnahmen. War das eine Eintagsfliege?
Außer personelle Streitereien hat man von dieser Partei nie mehr etwas gehört. Eine solche Ein-Themen-Partei verliert an Bedeutung, wenn das Thema, in diesem Fall Corona, an Relevanz verliert.
Bei den Gemeinderats- und Bürgermeisterwahlen 2021 im Lavanttal hatten einige Namenslisten regen Zuspruch und stellen nun auch Bürgermeister. Haben Namenslisten eine Zukunft auf lokaler Ebene?
Auf jeden Fall, weil bei Gemeindewahlen die Parteipolitik keine so große Rolle spielt und es vielmehr um Persönlichkeiten und gute Lösungen geht. Man kennt die Personen, da braucht man keine Partei, um Menschen einzuordnen. Auf Gemeindeebene hat es sicher Zukunft, vor allem wenn Parteipolitik weiter so ein Misstrauen erzeugt.
Zuletzt lagen Umfragen zu Wahlen oft ziemlich weit daneben. Wie ist das zu erklären?
Die seriösen Umfragen lagen nicht so falsch. Umfrage ist halt nicht gleich Umfrage. Man muss schon schauen, wie ist die Umfrage gemacht, wann wurde sie gemacht, wer hat sie in Auftrag gegeben. Wenn eine Umfrage drei Monate vor einer Wahl durchgeführt wurde, dann ändert sich bis zur Wahl etwas. Man muss differenzieren. Die letzten Wahlen wurden von den Kollegen, die sich an die Qualitätsstandards hielten, punktgenau vorhergesagt. Interessanterweise war nicht einmal die Prognose von Frau Beinschab so falsch.
Wie hat sich die Politik in den vergangenen zehn Jahren verändert?
Was sich stark verändert hat, ist, dass die Bevölkerung mehr Einblicke hat, es gibt mehr Wissen über die Politik, die Bevölkerung hat im Durchschnitt einen höheren Bildungsgrad, und jeder kann offen seine Meinung kundtun. Wir sind ja alle Experten geworden, wir sind nicht mehr nur Fußballtrainer, Politikwissenschaftler und Infektiologen, wir kennen uns jetzt alle überall aus. Dadurch verlieren auch Politiker an Autorität. Die Medien und die sozialen Medien haben natürlich auch das Image verändert. Politiker stehen unter Dauerbeobachtung. Wenn man das mit den Volksvertretern vor 20 Jahren gemacht hätte, wären die ganz sicher nicht besser ausgestiegen. Es gab schon immer Korruption und Freunderlwirtschaft. Aber auch unsere Ansprüche sind höher geworden und wir wissen mehr über Politik. Für mich hat sich die Situation eigentlich verbessert.
Mein Eindruck ist, Politik ist professioneller geworden. Sie muss aber noch professioneller werden, weil die Ansprüche der Bürger größer geworden sind.
// Zur Person
Kathrin Stainer-Hämmerle wurde in Hohenems geboren und studierte Politikwissenschaften an der Universität Innsbruck. Dort absolvierte sie auch das Studium der Rechtswissenschaften. Sie promovierte in diesem Fach mit einer Dissertation zum Thema Wahlrecht. Nach Lehr- und Forschungsaufträgen an den Universitäten Graz, Krems und Klagenfurt erfolgte 2009 die Berufung auf eine Professur für Politikwissenschaft an der Fachhochschule Kärnten. Seit 2019 leitet sie dort den Studienzweig Public Management.
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