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Wie steht es um die Insolvenzen im Lavanttal – sowohl bei Unternehmen als auch Privatpersonen? Wohin geht der Trend?
Laut aktueller KSV1870-Insolvenzstatistik waren im Jahr 2023 im Lavanttal 14 Unternehmen von einer Insolvenz betroffen – das entspricht einem Rückgang von zwei Fällen gegenüber dem Vergleichszeitraum des Jahres 2022. Bei den Privatkonkursen sind die Insolvenzen auf 31 Fälle gesunken – ein Minus von 25 Prozent gegenüber dem Vorjahr.
Werden die Passiva bei Insolvenzen höher?
Nein. Im Lavanttal sind bei den Unternehmensinsolvenzen und Privatkonkursen die Passiva nicht gestiegen. Bei den Privatkonkursen sieht man, dass wieder weniger Schuldner mit besonders hohen Verbindlichkeiten den Weg zum Insolvenzgericht suchen.
Haben sich die Gründe für private Insolvenzen verändert?
Die Gründe, warum Menschen in den Privatkonkurs schlittern, haben sich zuletzt nicht wesentlich verändert, obwohl rund die Hälfte der Privaten mittlerweile weniger Geld ausgibt als noch vor einem Jahr. Generell gilt, dass persönliches Verschulden in Form von Überschätzung der eigenen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und einem übermäßigen Konsumverhalten wesentliche Faktoren sind. Hinzu kommen private Pleiten infolge einer ehemaligen Selbstständigkeit oder nach dem Verlust des Arbeitsplatzes. Letzteres vor allem dann, wenn eine längere Phase der Arbeitslosigkeit überbrückt werden muss. Natürlich haben die Auswirkungen der Corona-Pandemie auch Einfluss auf die unterschiedlichen Situationen der Privathaushalte genommen, doch was die Privatkonkurse anbelangt, fällt dieser Einfluss eher gering aus.
Hätten Sie nach der Covid-19-Pandemie mehr Pleiten im Bezirk Wolfsberg erwartet?
Als KSV1870 haben wir immer gesagt, dass keine massive Insolvenzwelle zu erwarten ist, die plötzlich über Nacht losgetreten wird. Sondern wir gehen von einem kontinuierlichen Anstieg aus. Für das Jahr 2024 erwarten wir einen ähnlichen Zuwachs, wie wir ihn aus dem Vorjahr kennen. In Kärnten sprechen wir von plus 21 Prozent. Und auch im Lavanttal gehe ich davon aus, dass die Zahl der Firmenpleiten steigen wird. Wir befinden uns nach wie vor in einer Phase der Normalisierung des Insolvenzgeschehens, doch die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen setzen den Unternehmen mehr zu als sonst.
Während der Pandemie wurde gesagt, die Förderungen erhalten Firmen am Leben, die nicht mehr zu retten wären? Kommt die große Insolvenz-Welle noch?
Ich kann hier an die Frage von zuvor anknüpfen. Wir gehen davon aus, dass sich die letztjährige Entwicklung auch in diesem Jahr fortsetzen wird. Das heißt, ja, es wird wohl mehr Firmenpleiten geben, doch eine echte Insolvenzwelle, wie sie häufig herbeigeredet wird, sieht aus unserer Sicht anders aus. Denn trotz des jüngsten Anstiegs liegen wir in Österreich derzeit nur knapp über dem Vorkrisenniveau von rund 5.000 Pleiten. Ob das für eine Insolvenzwelle per Definition ausreicht, muss jeder für sich definieren.
Was hat die heimische Wirtschaft härter getroffen: die Pandemie oder die Inflationskrise?
Nachdem wir uns aus meiner Sicht nach wie vor inmitten einer Wirtschaftskrise befinden, die von weiterhin hohen Kosten geprägt ist, lässt sich das mit Sicherheit noch nicht feststellen. Zumal auch die Rahmenbedingungen andere waren. Ich erinnere an dieser Stelle etwa an die umfangreichen Hilfspakete, die während der Corona-Pandemie geschnürt wurden, um den Unternehmen unter die Arme zu greifen. Das gibt es in dieser Dimension aktuell nicht. Dafür bewegt sich das Kostenthema derzeit in einer Dimension, wie wir es kaum kennen.
Wann wird sich die Lage für Firmen wieder verbessern?
Das lässt sich seriös nicht beantworten. Die Wirtschaftsforscher gehen davon aus, dass sich die Konjunkturerholung verzögern und auch die Inflation langsamer als erwartet abschwächen wird. Gleichzeitig sollen steigende Realeinkommen den privaten Konsum, und damit die Wirtschaft insgesamt, stärken. Ob das genügt, damit sich die wirtschaftliche Schieflage vieler Betriebe zeitnah stabilisiert, bleibt abzuwarten.
Bauunternehmen sind mit großen Preissprüngen bei der Materialbeschaffung konfrontiert: Wie wird es Ihrer Ansicht nach in diesem Gewerbe weitergehen?
Zwar war der Handel im Vorjahr mit fast 1.000 Pleiten die am stärksten betroffene Branche, trotzdem hat sich die Bauwirtschaft zu einem der größten Sorgenkinder entwickelt. Auch, weil die Auftragsbücher mittlerweile bei weitem nicht mehr so gut gefüllt sind wie noch vor zwölf Monaten – vor allem wegen der hohen Kosten, die die Bauwirtschaft besonders treffen.
In den USA wird jemand, der pleitegeht und sich wieder aufrappelt, unterstützt. Hierzulande herrschen oft Schadenfreude und die Meinung vor, der Betroffene sollte besser die Finger von der Selbstständigkeit lassen. Wie denken Sie darüber?
Aus Sicht des KSV1870 hat das Prinzip der zweiten Chance auf jeden Fall seine Berechtigung. Doch es ist nach wie vor häufiger der Fall, dass lieber mit dem Finger auf jemanden gezeigt wird, der es im ersten Versuch nicht geschafft hat, als ihn zu ermutigen, es noch einmal zu probieren. Das ist schade. Doch das ist kein rein österreichisches Thema, sondern es herrscht generell in Europa häufig ein anderes Mindset als etwa in den USA. Dort gehört es fast schon »zum guten Ton«, als Unternehmer zumindest einmal gescheitert zu sein.
Wie sind Sie zum Kreditschutzverband von 1870 gekommen?
Nach dem Gerichtsjahr am Landesgericht und Bezirksgericht Klagenfurt war ich bei der Mazda Austria Leasing GmbH beschäftigt. Ich habe die Services des KSV1870 bereits dort kennengelernt. Über ein Inserat bin ich im Jänner 2000 zum KSV1870 gekommen. Seit 23 Jahren bin ich »leidenschaftliche Gläubigerschützerin« und Insolvenzexpertin des KSV1870.
Wie ist es eigentlich, tagtäglich mit negativen Nachrichten wie Insolvenzen befasst zu sein?
Die Insolvenz ist nicht unbedingt etwas Negatives, sondern die Möglichkeit einer bis zu 80-prozentigen Entschuldung. Nicht, dass ich Unternehmen eine Insolvenz wünschen würde – ganz im Gegenteil –, aber wenn ein Betrieb in Schieflage gekommen ist, dann sehe ich in einem Insolvenzantrag vor allem die Möglichkeit auf eine Rehabilitation – eine Chance für einen Neubeginn sozusagen.
Was waren die größten Pleiten, mit denen Sie befasst waren?
2016 war ein Jahr namhafter Firmenpleiten im Lavanttal. Mit den Insolvenzfällen der KRESTA Anlagenbau Gesellschaft m.b.H. Nfg. & Co KG und der Druckerei Theiss GmbH führte das Lavanttal die Insolvenzstatistik Kärntens an. Die Mega-Insolvenz war für mich die der AvW. Die AvW-Gruppe hatte mehr als 10.000 Geschädigte, Hunderte Forderungsanmeldungen waren aufzubereiten und zu Gericht zu senden, Dutzende Gläubigerausschusssitzungen zu verrichten, die sich teils über viele Stunden hinzogen. Insolvenzarbeit ist aber vor allem Teamwork, und selten war Teamgeist so gefragt wie in diesem Verfahren.
// Zur Person
Barbara Wiesler-Hofer, Jahrgang 1970, verheiratet, ein Sohn, hat an der Karl-Franzens-Universität in Graz Rechtswissenschaften studiert und 1995 abgeschlossen. Erste berufliche Erfahrung sammelte die leidenschaftliche Wanderin in der Mazda Austria Leasing GmbH, bis sie 2000 als Mitarbeiterin in der KSV1870 Insolvenzabteilung in Kärnten tätig wurde. Bereits drei Jahre später stieg sie zur Leiterin der Insolvenz auf. 2008 erfolgte die Bestellung zur Leiterin des KSV1870-Standorts Klagenfurt. Heute verantwortet Wiesler-Hofer die professionelle Abwicklung der Unternehmens- und Privatinsolvenzen im Bundesland. Zu ihren Hauptaufgaben zählt das Verhandeln im Rahmen von Tagsatzungen bei Gericht und die umfassende Information der Gläubiger über den Verlauf von Insolvenzverfahren, sie berät aber auch Kunden und Geschäftspartnern in den Bereichen Information und Inkasso. Der KSV1870 zählt zu den führenden Wirtschaftsplattformen.
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