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Imker Manfred Sturm: »Abwanderung mit dem Großteil unserer Bienenvölker wäre unumgänglich« Ausgabe 14 | Mittwoch, 6. April 2022

Der Imker Manfred Sturm (60) spricht mit den Unterkärntner Nachrichten über den Entwurf des neuen Bienenwirtschaftsgesetzes in Kärnten, warum er sich dagegen ausspricht und wie eine Lösung im langen Streit um die »richtige« Biene gefunden werden könnte.

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Bereits alle neun Bürgermeister des Tals unterzeichneten eine Stellungnahme gegen das neue Bienenwirtschaftsgesetz (K-BiWG). Wie stehen Sie zu diesem Entwurf?
Das ist richtig, alle neun Bürgermeister sprechen sich gegen das neue Gesetz aus. Auch alle sieben Obmänner der Bienenzuchtvereine im Lavanttal – bis auf St. Paul – lehnen den neuen Entwurf ab.

Egal, ob es um das bestehende Gesetz oder um den neuen Entwurf geht, ich lehne beide Gesetze ab. Einer der Hauptgründe ist der Rassenparagraf. 

Was sagt der aus?
Bei Bienen ist es nicht so leicht zu erheben, welche einer Rasse entsprechen und welche nicht. Außerdem müsste im Gesetz einmal verankert werden, ob es um eine natürliche Biene, also um die autochthone Biene in Kärnten geht, oder um eine Zuchtbiene, die von Züchtern festgelegte Eigenschaften hat.

Im bisherigen Gesetz bezog man sich auf die Unterart »Apis mellifera Carnica« mit all ihren Stämmen. Plötzlich wird aber ausschließlich die Unterart dieser Unterart, und zwar die »Alpine Variante«, gefordert. Eine Begründung dafür gibt es nicht.

Was würde ein Gesetz entsprechend dieses Entwurfs für Sie als Berufsimker bedeuten?
Egal ob Berufsimker oder Hobbyimker, dieser Gesetzesentwurf ist für alle Kärntner Imker ein Nachteil. Da der vorgelegte Gesetzesentwurf fachlich sehr fehlerhaft sowie praktisch nicht umsetzbar ist, sind wir gezwungen, uns wieder gerichtlich zu wehren. Außerdem würde es zu wirtschaftlichen Nachteilen gegenüber unseren Mitbewerbern außerhalb Kärntens kommen, da diese nicht mit solchen extremen Einschränkungen belastet sind. Das K-BiWG ist das aufwendigste bzw. das mit den meisten Einschränkungen in ganz Europa und würde durch die geplante Novellierung nochmals verschärft werden. Dazu zählt nicht nur die Thematik Bienenrasse und -farbe, sondern auch die Mehraufwände im Bereich Bienenwanderung. Außerdem würde es zu unangekündigten Kontrollen kommen, die nicht nur die streng getakteten Arbeitsabläufe in der ohnehin schon sehr kurzen Sommersaison negativ beeinflussen würden, sondern auch ein zusätzlicher Stressfaktor für unsere Bienen wären.

Wie würden Sie auf dieses Bienenwirtschaftsgesetz reagieren?
Wir würden einen weiteren Teil unserer Bienenvölker in »Sicherheit«, also in andere Bundesländer bringen, da der neue Gesetzesentwurf unsere Lavanttaler Carnica-Biene, mit der wir bereits seit mehreren Jahrzehnten arbeiten, ablehnt. Unsere Königinnen müssten umgeweiselt, spricht getötet werden, da ihre Nachkommen die »falsche« Farbe haben. Das ist für uns absolut unvorstellbar. 

Da wir weiter für den Erhalt unseres Betriebes und für unsere Bienen kämpfen werden, wäre eine Abwanderung mit dem Großteil unserer Bienenvölker unumgänglich. Wir als Berufsimker müssen uns diesen Problemen stellen, weil wir davon leben. Besser haben es da die Hobbyimker. Die sagen in Diskussionen sehr häufig, wenn ich Strafe bezahlen muss, dann höre ich eben auf. Aber selbst das kann sich auf unsere Natur sehr zum Nachteil auswirken. Wenn zu viele Hobbyimker zum Aufhören gezwungen werden, wird es wohl weniger Bienenvölker im Lavanttal geben und dann ist die flächendeckende Bestäubung noch weniger gesichert als jetzt.

Befürchten Sie, dass dieses Gesetz schon in nächster Zeit in Kraft treten könnte?
Wenn sich die verantwortlichen Gremien nicht bald an der wissenschaftlichen Arbeit von Friedrich Ruttner – der hat die autochthone Biene in Kärnten und im Lavanttal erforscht und seine Arbeit 1969 veröffentlicht – orientieren werden, dann befürchte ich, dass dieses Gesetz bald in Kraft treten könnte. Dann beginnen alle gerichtlichen Verfahren wieder von vorne, was sehr viel Kraft, Zeit und Geld kosten würde.

Was halten Sie von der im Gesetz vorgeschriebenen Biene, der Carnica? Was ist bei der Lavanttaler Carnica besser bzw. anders?
Zuerst möchte ich festhalten, dass die Lavanttaler Carnica-Biene keine eigene Rasse ist, sondern ein geschütztes Markenzeichen. Dieses geschützte Markenzeichen orientiert sich an der natürlich vorkommenden Carnica-Biene im Lavanttal, wie sie auch von Dr. Ruttner 1969 beschrieben wurde.

Diese natürliche Carnica-Biene wird ausschließlich natürlich vermehrt. Der Imker selbst vermehrt möglichst viele »gute« Bienenvölker und merzt so schlechte Gene aus, ohne auf die Körperfarbe der Bienen Rücksicht zu nehmen. Diese Art der Bienenvölkermehrung wird von der Wissenschaft als »Basiszucht« bezeichnet. Da in der Basiszucht die Völker vom eigenen Bienenstand vermehrt werden, erhält man eine Biene, die extrem an den Ort und das Klima angepasst ist, weil die Gene nicht durch Inzucht, wie es in der Linienreinzucht üblich ist, eingeschränkt werden.

Und was ist mit der im Gesetz vorgeschriebenen Biene?
Im neuen Gesetzesentwurf ist nicht mehr eine »normale« Carnica-Biene vorgeschrieben, sondern die »alpine« Unterart. Es wird immer wieder angenommen, dass diese Bienen rein äußerlich einheitlich grau gewesen sind, was nicht der Fall war. Sie hatten zu einem hohen Prozentsatz braune Einfärbungen. Da stellt sich die Frage, woher die Ansichten kommen, dass eine alpine Carnica-Biene grau sein muss oder soll. Das kommt wohl daher, dass Zuchtorganisationen sich zum Ziel gesetzt haben, eine Unterart der Carnica-Biene einheitlich grau zu züchten. Im Gegensatz dazu gibt es eine wissenschaftliche Arbeit der Universität Belgrad, in der von der gelben Carnica-Biene die Rede ist. Wenn ich aus diesen ganzen wissenschaftlichen Arbeiten über die Carnica-Biene einen Schluss ziehen möchte, dann wird in Kärnten wohl versucht, eine »künstliche« Carnica einzuführen, die von Zuchtfanatikern kreiert wurde und mit einer natürlichen Biene nichts mehr zu tun hat.

Was wäre Ihr Vorschlag bzw. wie sollte das Bienenwirtschaftsgesetz in Kärnten aussehen?
Ein erster Schritt in die richtige Richtung wäre bereits, wenn sich die zwei Verbände in Kärnten – der Landesverband für Bienenzucht sowie der Landesverband für zukunfts- und erwerbsorientierte Imkerei in Kärnten – an einen Tisch setzen und ein Gesetz ausarbeiten, das sowohl fachlich vertretbar als auch praktisch für Hobby- und Berufsimker umsetzbar ist. Das wurde nämlich beim bestehenden Gesetz sowie beim vorliegenden Gesetzesentwurf nicht gemacht.

2019 hätte es fast eine Lösung im Kärntner Bienenstreit gegeben, die im letzten Moment gescheitert ist. Was war der Grund dafür?
Weil sich die Gegenseite nicht an die wissenschaftlichen Erkenntnisse von Ruttner gehalten hat und eine künstliche Zuchtbiene der natürlichen Biene vorzieht.

Die Gräben zwischen den Gruppen – pro Lavanttaler Carnica, pro Carnica, wie sie im Gesetz vorgeschrieben ist – sind tief. Wird man sie jemals überwinden können?
Meiner Ansicht nach sind sie sehr leicht zu überwinden. Es muss nur ein Gesetz geschaffen werden, in dem Zucht und Haltung getrennt sind, so wie es in der Tierzucht allgemein üblich ist. Die Voraussetzungen dazu sind ja auch in Kärnten schon lange geschaffen. Wer von den Imkern Reinzucht betreiben oder einheitlich graue Bienen haben möchte, kann seine jungen Königinnen auf Reinzuchtbelegstellen begatten lassen.

Der ehemalige Landesrat Christian Benger (ÖVP) meinte einmal, dass es keine Kreuzungs- und Zuchtbücher zur Lavanttaler Carnica gebe. Niemand wisse, was die Lavanttaler Carnica für eine Biene sei. Was sagen Sie zu dazu?
Diese Aussage zeugt von totaler Unkenntnis über die Bienenzucht und deren Sachlage. Wenn Bienen nach dem Prinzip der Basiszucht vermehrt werden, gibt es keine Aufzeichnungspflicht in Zuchtbüchern. Außerdem gab es in Kärnten nur einen offiziellen Carnica-Stamm, der Stamm »Carnica-Oberkärnten«. Dieser Stamm wurde von einem Imker in Spital betrieben. Da dieser Imker schon vor Jahren verstorben ist, ist auch dieser Stamm ausgestorben. Alles andere sind Vermischungen mit Carnica-Stämmen außerhalb von Kärnten und haben mit einer natürlichen Kärntner Carnica-Biene nichts mehr zu tun. Kaum ein Politiker ist auch Imker, damit er ein Grundverständnis für die Bienenwirtschaft weitergeben kann. Daher wurde die Politik in den vergangenen Jahren immer wieder falsch informiert. Die autochthone Biene in Kärnten war in ihrem Aussehen nie »rein grau«. Das ist in der wissenschaftlichen Arbeit von Ruttner nachzulesen.

Neben dem Streit um das Bienenbewirtschaftungsgesetz gibt es ja noch andere Herausforderungen für Imker, wie Bienenkrankheiten und Schädlinge. Was sind aktuell die größten Herausforderungen für Imker und wie gehen Sie dagegen vor?
Eines der größten Probleme in der Imkerei ist nach wie vor die Varroa-Milbe. Diese Milbe vermehrt sich in der Bienenbrut und kann bei starkem Befall zu einem Zusammenbruch und sogar zum Tod des betroffenen Bienenvolkes führen. Nur durch frühzeitiges Erkennen sowie eine entsprechende Vorgehensweise bei der Pflege der Bienenvölker kann man die Schäden in Grenzen halten.

Weiteres spielt natürlich auch die Klimaveränderung eine wesentliche Rolle und stellt eine große Herausforderung für Imker und Bienen dar. Die dadurch entstandenen heißen und trockenen Sommer in den vergangenen Jahren haben die Honigproduktion negativ beeinflusst.

Es gibt mehr als genug Herausforderungen in der Imkerei – die Farbe der Bienen ist hier doch nur ein »Luxusproblem«, dass ausschließlich in Kärnten dermaßen hochgespielt wird.

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