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Eine etwas andere Urlaubsreise: Wolfsberger besuchte Afghanistan Ausgabe 39 | Mittwoch, 24. September 2025

Sandro Kalcher hatte heuer vier Monate Freizeit. Er kaufte sich den billigste Flug und landete in Indien, von wo er über Tadschikistan nach Afghanistan reiste. Warum er das tat, wie die Menschen auf ihn reagierten und was er erlebte, erzählte er den Unterkärntner Nachrichten.

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Unterkärntner Nachrichten Redakteur Horst Kakl Von Horst Kakl kaklno@spamunterkaerntner.at
Der Wolfsberger Sandro Kalcher (rechts) bei den Überresten eines Schützenpanzers im Bamiyan-Tal. Hier befanden sich die größten stehenden Buddha-Statuen der Welt, die 2001 von den Taliban gesprengt wurden. Geblieben sind leere Nischen, eine ist im Hintergrund zu sehen. Kalcher

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Links: Sandro Kalcher bei einem afghanischen Checkpoint. Rechts: Der Wolfsberger vor der Taliban-Flagge in Kabul.

Wolfsberg. Einen eher ungewöhnlichen »Urlaubsort« wählte sich heuer Sandro Kalcher. Der 21-jährige Wolfsberger verbrachte zwei Wochen in Afghanistan. »Es ist ein wunderschönes Land«, sagt er über das Islamische Emirat, das seit 2021 vom Taliban-Regime beherrscht wird, »sehr günstig – aber es gibt schon Risiken.« Kalcher war einer von etwa 200 Menschen aus westlichen Staaten, die pro Jahr in das asiatische Land reisen. 

Der Aufenthalt in dem asiatischen Land am Hindukusch wurde aus dem Augenblick geboren. »Ich war auf Montage und hatte danach vier Monate Zeit, ehe mein Meisterkurs startete«, sagt der Automatisierungstechniker, der die Lehre mit Matura abgeschlossen hat. »Ich habe mich gefragt, was ich tun könnte, suchte mir den billigsten Flug und flog am 4. Juni in die indische Hauptstadt Neu-Delhi.«

»Er wurde festgehalten, seine Hand auf einen Hocker gelegt und ein Finger abgeschnitten«
Sandro Kalcher über ein Erlebnis in Kandahar

In Indien betrieb er Sightseeing, besuchte den berühmten Taj Mahal, reiste per Anhalter über den »Manali-Leh Highway« – eine der gefährlichsten Straße der Welt – in die Stadt Leh im Hochgebirge des Himalaya und kam schließlich nach Tadschikistan. »Ich besuchte einen Nationalpark und sah eine weiße Flagge mit schwarzer Aufschrift – die Fahne der Taliban. Ich holte meine Sachen und spazierte zur Grenze nach Afghanistan bei Shir Khan Bandar«, so Kalcher.

Hier strandete er für eine Nacht. Denn weil er in Tadschikistan schon »ausgestempelt« war und die Afghanen ihren Posten um 16 Uhr geschlossen hatten, kam er nicht vor, nicht zurück. »Dort befand sich aber eine Kaserne, in der ich um 200 Afghani, 2,50 Euro, übernachten konnte.«

Beschwerliche Fahrt

Tags darauf erhielt der 21-Jährige sein Visa – und wurde von Taliban-Männern in die Stadt Kundus begleitet, um die nötigen Stempel zu besorgen. Kalcher: »Das war zu meinem Schutz, denn um Kundus ist der IS (Anm.: Islamischer Staat, eine terroristische Miliz) noch aktiv.« 

Danach nahm ihn ein Afghane im Auto mit in die Hauptstadt Kabul – eine rund 330 Kilometer lange, beschwerliche Fahrt. »Sie dauerte zwölf Stunden. Es ging über den Salang-Pass: Die Straße war schwer umkämpft, als die Amerikaner im Land waren – und ist noch immer stark beschädigt.« 

In den eingelegten Essens- und Gebetspausen kam er mit dem Fahrer – »viele Menschen verstehen Englisch« – ins Gespräch: Dabei wurden dem Wolfsberger zwei Fragen gestellt, die er in Afghanistan immer wieder hören sollte: Woher kommst du? Welcher Religion gehörst du an? »Ich habe gesagt, ich bin Christ, was nie ein Problem war. Gegen monotheistische Religionen haben sie nichts. Nicht gemocht wird, wenn man sagt, man habe keinen Glauben oder einen, der mehrere Götter kennt.« Kalcher interviewte auch gleich seinerseits den Afghanen, einen Unterstützer des Taliban-Regimes (siehe Artikel unten), den er »Hussein« nennt. 

In Kabul gab ihm der Mann auch ein Obdach für die erste Nacht, nach der der Wolfsberger zu einer Besichtigungstour aufbrach: »Das Innere der Stadt ist sehr schön, die Außenbezirke sind von den Kämpfen noch immer beschädigt. Ich habe mir den britischen Friedhof angesehen, die riesige Flagge der Taliban, das alte Parlament, den Bagh-e Babur, den Garten des ersten Moguls Babur.« 

Die zweite Nacht verbrachte er – wieder für 200 Afghani – in seinem Schlafsack am Boden einer Gaststätte. Dort lernte er auch seinen zweiten Interviewpartner kennen, »Ahmad«, der dem Regime kritisch gegenüber steht (siehe unten).

Mit ihm besuchte er die Stadt Bamiyan und das gleichnamige Tal, in dem sich die größten stehenden Buddha-Statuen der Welt befanden – ehe sie 2001 von den Taliban zerstört wurden. Geblieben sind leere Nischen. Kalcher: »Es war trotzdem interessant, denn dort leben Menschen in Höhlen – allerdings mit Komfort: Sie haben Solar-Anlagen vor den Türen. Außerdem steht dort viel zerstörtes Kriegsmaterial herum, etwa russische Panzer.«

Tags darauf ging es in den Nationalpark Band e-Amir. »Im dortigen See, der eine Attraktion für die Einheimischen ist, gibt es pinke Tretboote, die wie Schwäne aussehen. Darin die Taliban zu sehen, die mit Kalaschnikows bewaffnet über den See patrouillierten, war schon sehr lustig«, lacht Kalcher.

Auf der Rückfahrt nach Bamiyan wurde es brenzlig: Der Wolfsberger trug eine Bundesheer-Hose mit Tarnflecken samt Stiefeln – eine Kleidung, die den Taliban vorbehalten ist. »Bei einer Kontrollstelle wurde ich zu Boden geworfen. Mein Begleiter beruhigte aber die Situation und wir konnten weiterfahren.«

Danach besuchte der 21-Jährige die Stadt Kandahar, wo er einer grausamen Szene beiwohnte: »Im Basar wurde ein Mann beim Stehlen erwischt. Er wurde festgehalten, seine Hand auf einen Hocker gelegt und ein Finger abgeschnitten.« Außerdem erlebte Kalcher, wie ein anderer Mann in einer Gaststätte eine Frau zu vergewaltigen versuchte: »Er wurde weggezerrt. Auf solche Delikte steht in Afghanistan der Tod.«  

Es folgten die Städte Masar-e Scharif (»Die blaue Moschee ist wunderbar, sonst gibt es nicht viel«) und Kundus (»Ich ging spazieren«), ehe er nach Tadschikistan zurückkehrte. Danach bereiste Kalcher Usbekistan, Kirgisistan und China, im August kehrte er von Hongkong nach Europa zurück.

Bleibt die Frage: Warum Afghanistan? »Warum nicht?«, antwortet Kalcher. »Ich dachte mir, keiner kennt das Land wirklich, das sehe ich mir an. Außerdem wollte ich wissen, was die Afghanen über die Vorgänge in ihrem Land denken.« Er würde es wieder besuchen, »zum Wandern wäre es sehr interessant«.

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