Seit 1887 | Das unabhängige Wochenblatt für Unterkärnten

Ein Leben für die Büchsenmacherei: Mit Jahresende wird Herbert Streitmeier seinen Betrieb einstellen Ausgabe 52 | Dienstag, 23. Dezember 2025

Nach 45 Jahren als Büchsenmacher wird Herbert Streitmeier Ende des Jahres seine Werkstatt in St. Paul schließen. Ein Unfall zwingt den 81‑Jährigen zum Abschied. Die Marktgemeinde St. Paul verliert einen Handwerker, dessen Unikate weltweit geschätzt wurden.

E-Mail

0 Kommentare

Meist gelesen

Artikel

St. Paul. Wenn Herbert Streitmeier über seine berufliche Tätigkeit spricht, leuchten seine Augen. Fast 45 Jahre lang war sie sein Lebensmittelpunkt, sein Rückzugsort, seine Bühne. Ende dieses Jahres wird der 81-Jährige seine Türen endgültig schließen – gezwungen durch einen Unfall, der ihm die Ausübung seines Berufes unmöglich macht. Damit endet eine Ära, die nicht nur für ihn persönlich, sondern auch für die Region und die internationale Jagdwaffenszene von Bedeutung war.

Geboren und aufgewachsen in St. Paul, besuchte Streitmeier zunächst die Volksschule, später die Hauptschule in Klagenfurt. Weil er nach dem frühen Tod des Vaters nur noch mit seiner Mutter lebte, kam er ins Schülerheim. Schon als Jugendlicher war er von Waffen fasziniert – nicht zuletzt, weil in den Nachkriegsjahren viel Kriegsmaterial um St. Paul herumlag. »Einmal habe ich sogar eine Handgranate aus der Lavant geholt«, erinnert er sich. 1958 begann er seine berufliche Laufbahn, am 11. September trat er in die renommierte Waffenschule Ferlach ein. Dort legte er 1976 die Meisterprüfung ab, sammelte Erfahrungen in der Steiermark, Deutschland und Italien, bevor er den Schritt in die Selbstständigkeit wagte.

Weg in die Selbstständigkeit
Am 1. September 1981 eröffnete Streitmeier seine eigene Büchsenmacherei in St. Paul. Das Gebäude hatte zuvor leer gestanden – einst war hier der Tischlereibetrieb seines Großvaters untergebracht. Aus der Tradition des Handwerks entstand eine neue Werkstatt, die bald weit über die Grenzen des Lavanttals hinaus bekannt wurde. »Es war meine Berufung«, sagt Streitmeier. Tag und Nacht habe er in der Werkstatt gestanden, jede Waffe sei ein Unikat gewesen. Bis zu drei Jahre konnte die Fertigung dauern, alles wurde in Handarbeit hergestellt – von der Auswahl des Schaftholzes bis zur Gravur.

Internationale Anerkennung
Besonders stolz ist Streitmeier auf die Zusammenarbeit mit Europas größtem Jagdausrüster, der deutschen Firma Frankonia. »Die haben mich von der ersten Stunde an aufgenommen«, erzählt er. Durch die Aufnahme in deren Jahreskatalog wurden seine Waffen weltweit bekannt – von Australien über Kolumbien bis nach Europa wurden seine Waffen ausgeliefert. Rund 200 Büchsen hat er gefertigt, darunter Kipplaufbüchsen, Kronendrillinge und nostalgische Modelle mit außenliegenden Hähnen. Ein Höhepunkt seiner Karriere war die Jubiläumswaffe zum 100-jährigen Bestehen von Frankonia, die er nahezu vollständig in Handarbeit fertigte. Hochkarätige Graveure veredelten seine Werke, Dankesschreiben von Kunden und Partnern belegen die Wertschätzung.

»Durch die Verletzung wurde mir der Boden unter den Füßen weggerissen«
Herbert Streitmeier, Büchsenmacher

Doch die Leidenschaft, die ihn jahrzehntelang getragen hat, wurde jäh gestoppt. Vor 20 Monaten erlitt Streitmeier einen Unfall, der ihn schwer verletzte. »Durch die Verletzung wurde mir der Boden unter den Füßen weggerissen. Meine Berufung und Leidenschaft wurden mir mit einem Schlag genommen. Ich konnte nicht mehr arbeiten«, sagt er mit spürbarem Schmerz. Der Betrieb wird mit 31. Dezember 2025 eingestellt, das Inventar verkauft. Für den Büchsenmacher bedeutet das nicht nur das Ende einer beruflichen Laufbahn, sondern auch den Verlust eines Lebensinhalts.

Seine Arbeit blieb nicht unbeachtet. Mehrfach wurde Streitmeier ausgezeichnet: 2021 ehrte ihn die Wirtschaftskammer Kärnten für die erfolgreiche Führung seines Unternehmens, erst kürzlich verlieh ihm die Marktgemeinde St. Paul die Ehrennadel in Gold. Neben seiner Tätigkeit als Unternehmer war er über 35 Jahre Vorsitzender und Prüfer bei der Lehrabschluss- und Meisterprüfung der Büchsenmacher. Damit prägte er Generationen von Fachkräften und sicherte die Qualität des Handwerks.

Handwerk mit Herz und Präzision
»Man braucht ein gewisses handwerkliches Geschick um den Beruf des Büchsenmachers ausüben zu können. Und auch Kreativität ist gefordert«, erklärt Streitmeier. Kunden konnten ihre Wünsche detailliert äußern – von der Art der Waffe über das Schaftholz bis zur Gravur. In seiner Werkstatt standen Maschinen wie Fräsmaschinen, Säulenbohrmaschinen und Drehbänke. Besonders bemerkenswert: eine Fußdrehbank, über 100 Jahre alt, mit der er bis zuletzt arbeitete. Präzisionswerkzeuge und viel Geduld waren die Grundlage seiner Arbeit. Jede Waffe war mehr als ein Gebrauchsgegenstand – sie war ein Stück Handwerkskunst.

Mit der Schließung seiner Werkstatt verliert die Marktgemeinde St. Paul einen Handwerksbetrieb, der über Jahrzehnte internationale Strahlkraft hatte. Streitmeier selbst blickt trotz allen Wehmuts mit Stolz zurück: auf 45 Jahre Selbstständigkeit, auf rund 200 gefertigte Unikate, auf internationale Anerkennung und lokale Wertschätzung. 

0 Kommentare Kommentieren

Keine Kommentare gefunden!

Liebe Leserinnen und Leser, in diesem Kommentarbereich prüfen wir alle Beiträge, bevor sie veröffentlicht werden. Ihr Kommentar erscheint, sobald er gesichtet wurde.

Bitte melden Sie sich an, um die Beiträge zu lesen oder zu kommentieren.AnmeldenHier Registrieren