Seit 1887 | Das unabhängige Wochenblatt für Unterkärnten

Eveline Paier-Sternjak: »Emanze oder Feministin dürfen einfach nicht mehr als Schimpfworte gelten«Ausgabe 9 | Mittwoch, 28. Februar 2024

Die Leiterin der Frauenservice- und Familienberatungsstelle, Eveline Paier-Sternjak (59), spricht über den kommenden Weltfrauentag, warum er so wichtig ist, wie es in Österreich um die Gleichstellung von Mann und Frau steht und die hohe Anzahl an Frauenmorden.

E-Mail

0 Kommentare

Meist gelesen

Artikel

Am Freitag, 8. März, ist der internationale Frauentag. Gesetzlich sind Männer und Frauen gleichgestellt. Welche Gründe gibt es aus Ihrer Sicht noch für diesen Tag in der heutigen Zeit?
So wie es einen Muttertag und  einen Valentinstag gibt, braucht man einen Tag, an dem es auch für die Gleichstellung von Frauen eine entsprechende mediale Aufmerksamkeit gibt. Am Frauentag bekommt man sehr viel positive Berichterstattung. Es ist sehr wichtig, darauf hinzuweisen, dass es noch immer sehr viel braucht, damit wir eine Gleichstellung zwischen Mann und Frau erreichen. Gleichstellung heißt, unter gleichen Voraussetzung die gleichen Chancen zu haben. Und das ist leider noch immer nicht der Fall. Frauen, die zu uns kommen, sind meist für den Großteil der alltäglichen Aufgaben im Haushalt verantwortlich, übernehmen die Care-Arbeit und vieles mehr.

Woran liegt es, dass es in der Realität keine Gleichstellung gibt, und können Sie dafür konkrete Beispiele nennen?
Ein Vollzeitjob nach der Karenz ist für die meisten Frauen leider nicht möglich, da der Großteil der Erziehungs- und Betreuungsarbeit nach wie vor bei ihnen liegt und sie sich nach der Karenzzeit um die Kinder kümmern müssen. 

Daher können sie oft nur Teilzeit arbeiten, und das wirkt sich dann auf ihr gesamtes Erwerbsleben aus. Am Ende, wenn sie dann in den Ruhestand gehen können und sie ihre Pensionsauszahlung sehen, haut es sie von den Socken. Die Pension ist durch die lebenslange Teilzeitarbeit natürlich entsprechend gering und erhöht die Gefahr der Altersarmut

Aber es ist doch alles gesetzlich geregelt, oder?
Papier ist geduldig. Der gesetzliche Rahmen ist vorhanden, aber es scheitert an der Umsetzung. Ein Beispiel dafür ist die Kinderbetreuung. Seit Jahren wird über Betriebskindergärten gesprochen, nur errichtet werden sie nicht. Es kommen immer die gleichen Argumente, dass es zu teuer wäre, man die personellen Ressourcen nicht habe usw.

Auch die öffentlichen Kindergärten müssen bezüglich der Öffnungszeiten flexibler werden. Denn dadurch ist es vielen Frauen oft unmöglich, einen Vollzeitjob anzunehmen. 

Ein weiterer Punkt ist die Vaterkarenz. Der Wunsch, dieses Modell zu wählen, ist bei vielen Männern sicher vorhanden. Nur ist es meist aus finanziellen Gründen nicht möglich. Und es muss auch als normal gelten und von den Firmen einfacher gemacht werden, wenn Väter in Karenz gehen möchten.

Was muss sich in Bezug auf Gleichberechtigung in unserer Gesellschaft noch ändern?
Es fängt bei Begrifflichkeiten an. Emanze oder Feministin dürfen nicht mehr als Schimpfworte benutzt werden, und Frauen als das schwache Geschlecht zu bezeichnen darf einfach nicht mehr sein. 

Es müssen aber auch Begriffe aufgewertet werden und es müssen auch Frauen dazu beitragen. Aussagen wie »Ich bin nur eine Hausfrau« sind dabei natürlich nicht sehr hilfreich.

Auch das Gendern ist sehr wichtig, aber in diesem Bereich wurde ohnehin schon viel gemacht. 

Was bedeutet der internationale Frauentag für Sie persönlich?
Es ist schön, dass es diesen Tag gibt. Man kann viele Themen an die Öffentlichkeit bringen, über die ohne diesen Tag möglicherweise nie berichtet werden würde. Es ist ein Tag, an dem auf Frauen und deren Problem und Anliegen hingewiesen wird.

Der erste internationale Frauentag wurde am 19. März 1911 in Österreich-Ungarn, Dänemark, Deutschland und der Schweiz gefeiert. 1921 wurde der Tag erstmals am 8. März gefeiert, und seither wurde dieses Datum beibehalten.

Es gibt diesen, für Frauen so wichtigen Tag also seit über 100 Jahren, und es wird ihn auch noch weitere 100 Jahre geben.

Was hat der Weltfrauentag in der Vergangenheit bewirkt?  
Das Sichtbarmachen und das Aufzeigen von Ungleichheiten. In den über hundert Jahren hat sich schon einiges getan. Zum Beispiel das Wahlrecht für Frauen oder das Frauen ohne Zustimmung des Ehemanns einen Beruf ausüben dürfen. 

Aber es gibt leider noch sehr viel zu tun. Es muss sichergestellt werden, dass der weibliche Lehrling gleich viel verdient wie der männliche. Es braucht auch mehr Frauen in der Politik und Maßnahmen, Frauen eine politische Tätigkeit zu ermöglichen. Gerade erst wurde berichtet, dass  die Bürgermeisterin von Kappel am Krappfeld ihr Baby mit ins Büro nimmt, um zu zeigen, dass sie trotzdem die Amtsgeschäfte führen kann.

Es darf auch nicht mehr sein, dass Frauen bei einem Bewerbungsgespräch gefragt werden, ob die Kinderbetreuung geregelt ist. Männer werden das nie gefragt.

Bereits im Vorjahr haben wir darüber gesprochen, dass etwas gegen die steigende Anzahl an Frauenmorden unternommen werden muss. 2023 wurden 26 Femizide in Österreich verübt, heuer wurden bereits sieben Frauen ermordet. Ist etwas dagegen geschehen?
Das Budget für Gewaltschutzeinrichtungen wurde aufgestockt und auch der Ausbau von Gewaltschutzambulanzen in den Bundesländern ist in Planung. Wie das Geld aber im Detail verteilt wird, ist noch nicht geregelt.

Was kann unternommen werden, um solche Morde künftig zu verhindern?
Es ist sehr wichtig, dass Frauen erkennen und wahrnehmen, was Gewalt ist. Es gibt ja nicht nur die körperliche Gewalt, sondern auch psychische, ökonomische, sexuelle und viele weitere Arten. Gewalt hat sehr viele Facetten. Auch Beschimpfungen, Eifersucht, den Partner unter Druck zu setzen sind Formen der Gewalt. Darüber müssen sich Frauen auch klar werden und daher rechtzeitig Hilfe suchen oder sich beraten lassen.

Dazu braucht es dann Gespräche, es muss Vertrauen aufgebaut werden. Die Frauenservice- und Familienberatungsstelle ist aber keine spezifische Gewaltschutzeinrichtung, wir arbeiten, bevor etwas passiert, und versuchen Gewalt zu verhindern. 

Aber wir unterstützen natürlich auch Frauen, wenn sie schon von Gewalt betroffen sind, zum Beispiel bei der Anzeige uvm. 

Was kann jeder Einzelne dazu beitragen, dass wir gleichgestellter leben?
Man muss die anderen Menschen respektieren und wertschätzen, egal ob es ein Mann oder eine Frau ist. Man muss die Person als Mensch wertschätzen mit all ihren Besonderheiten und Eigenheiten. Wichtig ist es, Menschen nicht zu schnell zu bewerten. Das ist vielleicht nicht immer so leicht, weil man auch oft emotional ist. Ganz wichtig ist es auch, anderen den notwendigen Respekt entgegenbringen und vielleicht öfters ein bisschen mehr zuhören.

Was sind die häufigsten Gründe, warum sich Frauen an Sie wenden?
Ein Großteil der Menschen kommt zu uns wegen einer Scheidungs- und Trennungsberatung. Viele kommen aber auch bezüglich Berufsberatung zu uns. Wichtig ist, dass auch Männer im Rahmen der Familienberatung zu uns kommen und unsere Beratungsangebote in Anspruch nehmen können.

Steigt derzeit der  Bedarf an Beratungsgesprächen?
Die Zahl der Beratungsgespräche steigt kontinuierlich an. Es gibt zwar keine großen Sprünge, aber einen regelmäßigen Anstieg. Dank der nunmehr höheren Finanzierung ist es uns auch möglich, die Nachfrage zu decken.

 Wie viele Beratungen führt Ihre Stelle pro Jahr durch? 
Im Jahr 2022 kamen 1.759 Personen zu uns, mit denen sich Beratungsgespräche ergeben haben. Die Statistik für das Jahr 2023 liegt derzeit noch nicht vor.  

Gibt es von der Frauenservice- und Familienberatungsstelle eine Veranstaltung anlässlich des Frauentags?
Bereits am 6. März gibt es um 17 Uhr eine sehr interessante und kostenlose Stadtführung zum Thema »Wolfsberger Frauen machen Geschichte« mit Sonja Bachhiesl. Treffpunkt ist in der Frauenservice- und Familienberatungsstelle in der Hermann-Fischer-Straße 1
in Wolfsberg. 

// Zur Person

Eveline Paier-Sternjak (59) ist verheiratet und hat drei erwachsene Töchter. Nach der Matura am Stiftgymnasium in St. Paul absolvierte sie ein Jus-Studium an der Karl-Franzens-Universität in Graz. Ihr Gerichtsjahr absolvierte sie am Bezirksgericht Völkermarkt und dem Landesgericht Klagenfurt.
Am 1. Juli 1991 begann sie mit ihrer Tätigkeit als Juristin bei der Frauenservice- und Familienberatungsstelle in Wolfsberg. Seit 2011 ist Paier-Sternjak Leiterin des Wolfsberger Standorts.
Sie war von 2009 bis 2015 Gemeinderätin für die SPÖ in der Gemeinde Neuhaus und von 2015 bis Mai 2020 Vizebürgermeisterin der Gemeinde.
Die Freizeit verbringt die 59-Jährige mit ihrem Mann und Freunden im Garten ihres Eigenheims und natürlich mit ihren beiden Enkelkindern.

0 Kommentare Kommentieren

Keine Kommentare gefunden!

Liebe Leserinnen und Leser, in diesem Kommentarbereich prüfen wir alle Beiträge, bevor sie veröffentlicht werden. Ihr Kommentar erscheint, sobald er gesichtet wurde.

Bitte melden Sie sich an, um die Beiträge zu lesen oder zu kommentieren.AnmeldenHier Registrieren