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Stolpersteine »stolperten« über das Coronavirus: Jetzt werden sie doch noch in Wolfsberg verlegtAusgabe 38 | Mittwoch, 16. September 2020

Im Februar 2019 beantragten die Grünen im Gemeinderat, mit »Stolpersteinen« an jene Wolfsberger zu erinnern, die von den Nazis verfolgt worden waren. Zwei Verlegungstermine platzten, jetzt soll es soweit sein – wenn der israelische Botschafter Zeit hat.

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Stolperstein, Nazis, Wolfsberg, Unterkärntner, Lavanttal
Zwei »Stolpersteine«, die vom Künstler Gunter Demnig in Berlin installiert wurden. Mehrere davon sollen in Kürze auch in Wolfsberg zu sehen sein. Fotos: Hok. Wikipedia

Wolfsberg. Es war in der Gemeinderatssitzung am 14. Februar 2019, als die Wolfsberger Grüne-Mandatare Susanne Dohr und Reinhard Stückler den Antrag einbrachten. Sein Inhalt: Die Verlegung von »Stolpersteinen«, die an das Schicksal jener Wolfsberger erinnern sollen, die in der Zeit des Nationalsozialismus verfolgt, vertrieben und/oder ermordet wurden. Der damalige Bürgermeister Hans-Peter Schlagholz (SPÖ) signalisierte sofort seine Zustimmung, auch die FPÖ kündigte an, den Antrag unterstützen zu wollen. Trotz der Welle an Sympathie gibt es die »Stolpersteine« bis heute nicht. Dahinter verbirgt sich aber kein heimlicher Verhinderungsplan, sondern organisatorische Probleme. Bis spätestens Oktober sollen die quadratischen Messingtafeln in Wolfsberg installiert sein.

»Wir wollen einen Termin finden, an dem auch der israelische Botschafter dabei sein kann«
Harry Koller, Österr.-Israelische Gesellschaft

»Sie sollten bereits im November des Vorjahrs verlegt werden«, sagt Dohr jetzt, »das war aber nicht möglich, weil sie der deutsche Künstlers Gunter Demnig (Anm.: der Initiator des europaweiten Projekts) nicht produziert hatte.« 

Mittlerweile liegt die Durchführung in den Händen von Gemeinderat Harry Koller (SPÖ), dem neuen Präsidenten des Landesverbands Kärnten der Österreichisch-Israelischen Gesellschaft und Vorsitzenden des Ausschusses für Kunst und Kultur, der sich mit der Angelegenheit befasste. Koller sagt: »Wir wollten die Steine im heurigen Frühjahr setzen, was aber wegen des Ausbruchs der Coronakrise verschoben werden musste. Derzeit versuchen wir, einen Termin zu finden, an dem auch der israelische Botschafter bei der Verlegung dabei sein kann. Ich denke, wir können sie im September oder Oktober durchführen.« Die Kosten von 120 Euro pro Stein, der eine Kantenlänge von rund zehn Zentimeter besitzt und in den Boden eingelassen wird,  trägt die Österreichisch-Israelische Gesellschaft.

Sechs Betroffene

Sechs Wolfsberger jüdischen Glaubens waren den Repressionen der Nationalsozialisten ausgesetzt: Emma und Adolf Gross mit ihren Töchtern Lotte und Anny, sowie Hermine Singer und ihr Sohn Hans. Die Familie Gross betrieb einen Gemischtwarenhandel in der Wiener Straße, der später »arisiert« wurde, das heißt, für wenig Geld in die Hände eines NS-Sympathisanten wanderte. Die Familie floh erst nach Wien, später in die Tschechoslowakei, wo die Eltern Emma und Adolf verhaftet wurden und 1942 im KZ Auschwitz umkamen. Tochter Anny überlebte das KZ Bergen-Belsen und wanderte nach dem Krieg nach Mexiko aus, wo sie eine Familie gründete. Im April 2001 nahm sie an der Enthüllung der Gedenktafel neben dem Wolfsberger Rathaus teil, die »zur Erinnerung an die von den Nationalsozialisten ermordeten und vertriebenen Wolfsberger Juden« errichtet worden war. Ihre Schwester Lotte verstarb 1998 in New York.

Hermine Singer, die Schwester von Emma Gross, führte ab 1930 ein Geschäft in der Sporergasse. Nachdem sie es im Zuge der »Arisierung« verloren hatte, verließ auch sie Wolfsberg. Sie starb 1944 auf Mauritius, ihr Sohn Hans 1995 in Israel.

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