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Sie sind seit 1. Mai die neue Primaria der Lymphklinik in Wolfsberg. Können Sie uns einen Überblick über Ihren beruflichen Werdegang geben und erklären, wie Sie zur Lymphologie fanden?
Nach meinem Studium und meiner Ausbildung zur Ärztin für Innere Medizin in Wien arbeitete ich im AKH Wien und ein Jahr im Kaiser-Franz-Josef-Spital. Schon zu Beginn meiner beruflichen Laufbahn wurde mir bewusst, dass es Themen gibt, denen zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt wird. Die Lymphologie, ein Nischengebiet, in dem viele Ärzte wenig Fachwissen besitzen – das bot eine große Chancen und faszinierte mich von Anfang an.
Wann kamen Sie zurück ins Lavanttal?
Ich kam 2021 wieder ins Lavanttal. Meine Kinder waren damals noch sehr klein und ich wollte den Nachtdiensten entgehen, um auch ausreichend Zeit für meine Kinder zu haben. Ab 2021 war ich als Oberärztin an der Lymphklinik tätig, ab 2024 war ich erste Oberärztin.
Was war es, das Sie an der Lymphologie besonders reizte?
Die Lymphologie ist ein Randgebiet – und genau darin liegt die Chance. Wir können an der Lymphklinik viel bewegen, weil wir gezielt Themen angehen, von denen bislang viele Ärzte kaum etwas wissen. Die Wolfsberger Lymphklinik ist die einzige ihrer Art in Österreich. Wir haben die Möglichkeit, innovative Therapiekonzepte zu entwickeln und einen echten Unterschied im Leben unserer Patienten zu machen. Es ist nicht nur fachspezifisch spannend, es bietet uns auch das Privileg, Menschen zu helfen, deren Beschwerden lange unbeachtet blieben.
Wie sieht das Angebot der Lymphklinik aus?
Neben der klassischen Diagnostik und Therapie wie zum Beispiel der Lymphdrainage, Kompressionsversorgungen oder akuten Entstauungen, wird bei uns auch Wundmanagement angeboten. Dazu verfügen wir über drei zertifizierte Wundmanager.
Was sind Ihre konkreten Ziele und wie möchten Sie die Lymphklinik weiterentwickeln?
Ich möchte das Thema Lymphödem bei der Ärzteschaft breiter bekannt machen. Die Mediziner sollen wissen, dass sie Patienten mit Schwellungen nach einer Krebsoperation, zum Beispiel in den Armen und Beinen, zu uns schicken können. Dazu soll nicht nur die Kommunikation in den niedergelassenen Bereich gestärkt, sondern auch bei der Ausbildung junger Mediziner angesetzt werden. Außerdem plane ich, für das Lipödem – eine Erkrankung, die fast ausschließlich Frauen betrifft – ein umfassendes Behandlungskonzept zu entwickeln.
Ist die Zahl der Menschen mit Erkrankungen des Lymphsystems steigend oder fallend?
Die Zahlen sind relativ gleichbleibend. Den größten Teil davon machen Krebspatienten aus. Es gibt rund 35.000 Krebsneuerkrankungen in Österreich pro Jahr, rund zehn Prozent davon entwickeln ein Ödem.
Daneben gibt es dann natürlich auch übergewichtige Personen, die ein Ödem entwickeln, und bei rund zwölf Prozent ist die Lymphtransportstörung angeboren. Man weiß mittlerweile aufgrund genetischer Untersuchungen auch schon, welche Gene dafür verantwortlich sind.
»Die Wolfsberger Lymphklinik ist die einzige ihrer Art in Österreich«
Berit Seeland, Primaria der Lymphklinik
Eine Heilung gibt es aber nicht, oder?
Ein Lymphödem kann nicht geheilt werden. Eine lebenslange Kompressionsversorgung ist notwendig. Man kann aber das Fortschreiten verhindern bzw. verlangsamen. Es gibt auch operative Maßnahmen, um die Situation für die Betroffenen zu verbessern bzw. zu erleichtern.
Können Sie uns etwas zu neuen Behandlungsmethoden verraten?
Ja, aktuell arbeiten wir eng mit plastischen Chirurgen aus Klagenfurt, Graz und Wien an innovativen operativen Verfahren. Ein Beispiel ist die Lymphovenöse Anastomose, bei der ein nicht funktionierendes Lymphgefäß an eine Vene angeschlossen wird, um das nicht funktionierende Gefäß zu umgehen.
Wie sind die derzeitigen Gegebenheiten in Bezug auf die Bettenkapazitäten und den Personalstand an der Wolfsberger Lymphklinik?
Wir verfügen über 60 Reha- und zehn Akutbetten sowie eine ausgezeichnete ambulante Versorgungs- und Wundambulanz. Das ist für uns ausreichend. Beim Personal haben wir ein multidisziplinäres Team, bestehend aus Lymph-, Physio- und Ergotherapeuten, Logopäden, Psychologen, Sozialarbeitern, Diätologen und Pflegern. In diesen Bereichen sind wir sehr gut aufgestellt. Allerdings ist – wie in ganz Österreich – auch bei uns der Ärztemangel spürbar. Derzeit sind eine Position für einen Facharzt für Innere Medizin sowie einen Arzt für Allgemeine Medizin ausgeschrieben. Es ist aber nicht leicht, Ärzte zu finden. Die spezifische Ausbildung des Personals, auch der Ärzte, wird von uns vor Ort übernommen.
Kürzlich fand der zehnte Lymphklinik-Tag statt. Können Sie ein kurzes Resümee ziehen?
Es freut mich, dass wir in der Lymphklinik Wolfsberg mit diesem Tag ein starkes Konzept etabliert haben. Am diesjährigen Lymphklinik-Tag waren über 260 Teilnehmer aus acht Nationen anwesend und es gab zahlreiche informative Vorträge. Das Feedback der Vortragenden und Teilnehmer war sehr positiv. Der Lymphklinik-Tag wird natürlich auch künftig abgehalten werden.
Wie schaffen Sie den Ausgleich zwischen dem Berufsleben und Ihrem Privatleben?
Ich lege sehr großen Wert auf Bewegung und Erholung. Laufen und Radfahren – oft gemeinsam mit meinen Kindern – sind für mich der optimale Ausgleich zum klinischen Alltag.
Daneben stehen natürlich noch zahlreiche weitere Aktivitäten mit meinen beiden Kindern auf dem Programm.
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