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Ulrich Habsburg-Lothringen: »Wir hätten noch viel mehr aus der Koralmbahn machen können«Ausgabe 35 | Mittwoch, 27. August 2025

Der Wolfsberger Ulrich Habsburg-Lothringen (83) spricht im Interview über verpasste Chancen der Koralmbahn, Anbindungen an die Nachbarländer Slowenien und Italien und die Frage, wie das Lavanttal vom Jahrhundertprojekt doch noch profitieren könnte.

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Unterkärntner Nachrichten Redakteur Michael Swersina Von Michael Swersina m.swersinano@spamunterkaerntner.at
Ulrich Habsburg-Lothringen spricht davon, auch Maribor an die Koralmbahn anzubinden, und weist auf Versäumnisse in Hinblick auf die Chancen der Bahn für den Fremdenverkehr hin. Auch nach Bad St. Leonhard sollten seiner Meinung nach wieder Züge fahren. UN

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Sie waren ab 1997 in die Planungen der Koralmbahn involviert. Wie kam es dazu?
Die HLAG (Anm.: Eisenbahn-Hochleistungsstrecken AG) kam auf mich zu, weil ich für Lavamünd ein Konzept zur Nutzung der dortigen Bahnstrecke erstellt hatte.  Es ging darum, zu schauen, welche Auswirkungen der Koralmtunnel auf das Wasser haben würde und wie man mit den Aushubmassen der Bahn zwischen der Koralm und Klagenfurt umgeht.

Was waren Ihre Aufgaben?  
Es ging zunächst um die Trassenführung der zu errichtenden Bahn im Lavanttal. Eine Variante hätte durch Wolfsberg geführt – das wollte man dort nicht, mit dem Argument, man habe ja schon die Autobahn. Eine Alternative war Wolkersdorf. Am Ende war St. Paul aus meiner Sicht optimal: weniger Lärmbelastung fürs Tal, gute Entwicklungsmöglichkeiten für den Ort. Deutschlandsberg wurde dadurch abgehängt.

Wie zufrieden sind Sie mit der Umsetzung der Koralmbahn?  
Vom technischen Standpunkt aus gesehen, bin ich relativ zufrieden. Politisch und wirtschaftlich aber eher weniger. Ich habe damals, als mit den Planungen der Bahnstrecke begonnen wurde, versucht, die Gemeinden St. Paul, St. Andrä, Wolfsberg und St. Gertraud gemeinsam mit den ÖBB an einen Tisch zu bringen, um darüber zu sprechen, wie Wirtschaft, Landwirtschaft, Tourismus usw. in das Projekt eingebunden werden und davon profitieren könnten. Das hat aber niemanden interessiert. In der Steiermark stiegen die Grundstückspreise um 30 Prozent, im Lavanttal passierte wenig. Das Interesse war schlicht nicht vorhanden.

Der Raum Graz bis ins slowenische Maribor hat 1,1 Millionen Einwohner. Auf dieses Gebiet wurde nicht eingegangen. Eine wirtschaftliche Orientierung Richtung Graz wäre besser als nach Klagenfurt. Das wurde bislang nicht berücksichtigt.

Welche Chancen sehen Sie heute für das Lavanttal durch die Inbetriebnahme der Koralmbahn?
St. Andrä wächst Richtung Süden, in zehn Minuten ist man mit dem Auto in St. Paul und könnte vom dortigen Bahnhof sehr profitieren. Aber man muss sich vorbereiten,  Wohnflächen schaffen, Infrastruktur planen und errichten. Der Raum Graz–Maribor hat rund eine Million Einwohner, der Zentralraum Kärnten nur 300.000. Das sind drei Mal so viele potenzielle Verdienstmöglichkeiten in Graz, und durch die Koralmbahn rückt man fast direkt an die steirische Landeshauptstadt heran. Diese Chancen gilt es zu nutzen.

Ist das Lavanttal auf die Inbetriebnahme der Koralmbahn im Dezember gut vorbereitet?
Ehrlich gesagt nicht wirklich.  Man hätte viel mehr und vor allem früher tun können. In der Steiermark ist man da schon weiter. Ich habe sogar schon gehört, dass einige Schnellzüge nur in Graz und Klagenfurt halten sollen. Wenn das passiert, ist das Lavanttal wieder außen vor. Es braucht gut getaktete Anschlüsse von Wolfsberg und dem oberen Lavanttal nach St. Paul. Die Leute müssen am Bahnhof ankommen und direkt in den Zug nach Graz oder Klagenfurt einsteigen können. 

St. Paul und St. Andrä sind die nächsten Orte zum Bahnhof Lavanttal. Aus diesem Grund wäre eine Stadterweiterung von St. Andrä Richtung Süden nach Framrach sinnvoll, wobei man die Errichtung von Wohnparks mit Wasserflächen andenken sollte. Es fehlt auch noch ein Nahverkehrskonzept für den Zentralraum Wolfsberg mit schnellen ÖBB-Anbindungen nach Graz und Wien.

Sie kritisieren auch die fehlende Anbindung nach Slowenien. Wie sollte eine solche umgesetzt werden?  
Historisch gab es immer enge Verbindungen mit Slowenien, und wir haben diese Chancen immer liegenlassen. 1859 zog der Bischof von St. Andrä nach Maribor, seither hätte man diese Verbindung viel besser nutzen müssen. Heute gibt es kaum Kooperation mit Slowenien. Dabei liegt der Flughafen Laibach strategisch günstig. Mit einer guten Anbindung aus Klagenfurt wäre man in etwa einer Stunde am Laibacher Flughafen und hätte deutlich mehr internationale Flüge als von Graz oder Klagenfurt.

Wie könnte eine Anbindung an Slowenien aussehen?   
Ich habe schon in den 1980er Jahren vorgeschlagen, die Bahnstrecke nicht in Klagenfurt enden zu lassen, sondern durchs Rosental nach Assling und weiter nach Laibach zu führen. Auch könnte man von Wien über Görz nach Triest eine Verbindung errichten. Kärnten, die Steiermark und Slowenien könnten gemeinsam ein starkes Bahnnetz mit Zugang zu zwei großen Häfen (Anm.: Triest und Koper) aufbauen.

Aber viele Bahnstrecken sind mittlerweile abgebaut. Ist der Zug nicht abgefahren?  
Kurzfristig ist es schwierig, aber langfristig wäre es sinnvoll, diese Verbindungen zu reaktivieren – gerade wenn wir den Osten Europas stärker einbinden wollen. Die Holzindustrie im Lavanttal etwa bekommt viele Rohstoffe aus dem Osten. Wenn die Strecke über den Obdacher Sattel noch existieren würde, könnte man Transporte effizienter abwickeln. Jetzt muss alles über Bruck und dann St. Paul laufen. 

Es ist auch ein Armutszeugnis, dass Bad St. Leonhard eine Kurstadt ist, man mit dem Zug aber nicht dorthin kommt. Dazu bräuchte es die Verbindung über Zeltweg und Wolfsberg.

Sie sprechen oft von historischen Vorbildern. Was sollte aus der alten Zeit für die Koralmbahn mitgenommen werden? 
Schon in der Monarchie fuhren Züge aus Prag und Wien über das Rosental nach Triest. Diese Verbindung müsste reaktiviert werden. Man sollte die Koralpe als Skigebiet besser vermarkten, wie damals in der Monarchie den Wörthersee für die Sommerurlauber, als Gäste aus Wien, Prag, Budapest nur so hinströmten. Dazu wären natürlich auch schnelle Verbindungen vom Bahnhof in St. Paul in die Skigebiete notwendig. Bis jetzt denkt kein Politiker darüber nach, wie wir den Fremdenverkehr durch die Koralmbahn ankurbeln können.

Themenwechsel: Aufgrund der Krisen und Kriege geht durch Österreichs Gesellschaft ein Riss wie nie zuvor. Würden Sie sagen, dass Österreich mit einem Kaiserhaus besser regiert würde? 
Ich denke nicht. Wenn man sich ansieht, mit welchen Problemen die Königshäuser zu kämpfen haben, wäre eine Monarchie nicht besser. Außerdem bleiben Fehler, die eine Person macht, immer am Königshaus haften. Ich glaube es ist besser, wenn Verantwortung immer kurzzeitig in andere Hände gelegt wird.

// Zur Person
Ulrich Habsburg-Lothringen
wurde am 3. Oktober 1941 in Wolfsberg geboren.  Er ist Gutsbesitzer, Land- und Forstwirt. Er fungiert als allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger auf den Gebieten Fischerei, Wald- und Forstwirtschaft, Hölzer und Holzgewinnung.
Er ist seit 1964 mit Friederike von Klinckowström, verheiratet und hat drei Söhne, Eugen, Clemens und Philipp.
Er ist Urenkel des letzten Großherzogs Ferdinand IV. von Toskana und gleichzeitig Neffe dritten Grades von Otto Habsburg-Lothringen (1912 - 2011).

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