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Der enthaltsame Kaiser Heinrich II. und die Frage: Wer war für Wolfsbergs Gründung verantwortlich?Ausgabe 32 | Mittwoch, 7. August 2024

Vor 1.000 Jahren starb Heinrich II., der mit seiner Frau Kunigunde angeblich die Gründung der Stadt Wolfsberg ausgelöst haben soll. Der Historiker Walter Richter erzählt die spannende Geschichte – und rückte manches gerade: Es geht um Macht, Sex – und die Seele.

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Wolfsberg. Vor 1.000 Jahren, am 13. Juli 1024, starb Kaiser Heinrich II. Seit er das Gebiet des heutigen Wolfsberg im Jahr 1007 – angeblich – dem Bistum Bamberg schenkte, gelten er und seine Ehefrau Kunigunde als heimliches Gründerpaar und Stadtheilige der Bezirkshauptstadt. Aber war es wirklich so?

Schon während der 700-jährigen Bamberger-Herrschaft gingen zahlreiche Streitschriften zwischen den Bischöfen und den späteren Habsburger Landesherren hin und her, die sich mit der Richtigkeit dieser Annahme befassten. Und auch ein Jahrtausend nach dem Tod des Kaisers scheint die Frage, wie das Bistum Bamberg in den Besitz Wolfsbergs kam, durchaus strittig.

»Die Besitzgeschichte Wolfsbergs ist ungeklärt. Bis heute gibt es verschiedene Meinungen«
Walter Richter, Historiker

Licht ins Dunkel versucht der  frühere HAK-Professor und Historiker Walter Richter zu bringen. Er sprach mit den Unterkärntner Nachrichten über die Vergangenheit – und sagte auch, wo die Ursprünge der Gründung Wolfsbergs am wahrscheinlichsten lagen.

Der 973 geborene Heinrich II. war der letzte Herrscher aus der Dynastie der Ottonen. Obwohl kränklich und schwach, setzte er sich nach dem Tod seines Vorgänger Otto III. durch und wurde 1002 zum ostfränkischen König gekrönt. 1004 folgte die italienische Königskrone, ab 1014 war er römisch-deutscher Kaiser.

Richter: »Heinrich setzte den Schwerpunkt seiner Politik nicht wie seine Vorgänger auf Italien, sondern auf das deutsche Reich.« Sein Motto war »Renovatio regni Francorum«, also die Erneuerung des fränkischen Reichs. Sein Rezept: die intensive Praktizierung des ottonischen Reichskirchensystems. 

Das Lehen-Problem

Wer sich damals für seinen Herrscher einsetzte, wurde mit einem Lehen, also einem Stück Land, belohnt. Das Problem der Obrigkeit: Der Boden war begrenzt und Lehen wurden an die Nachkommen vererbt. Irgendwann gab es nichts mehr zu verschenken – die Macht schwand. 

Heinrichs Lösung: Zur Stärkung seiner Macht sah er Kirche und Geistlichkeit als wichtigste Stützen an. Priester übernahmen alle wichtigen Ämter in der Verwaltung und im Kriegsdienst – und erhielten dafür Lehen. Weil sie offiziell zölibatär lebten und keine Kinder hatten, fielen die Lehen nach deren Tod immer wieder an Heinrich zurück – der sie abermals vergeben konnte. 

Obwohl äußerst gläubig und gottesfürchtig – Heinrich wurde 1146 heiliggesprochen –, verweltlichte er damit die Kirche und ihre Würdenträger, die sich ihren staatlichen Aufgaben zu widmen hatten. Heinrich begann, die Kirche zu lenken und zu leiten: Er übernahm das Investiturrecht, das heißt, er ernannte »seine« Bischöfe selbst, nicht mehr der Papst.

Sein Reich war für ihn das »Haus Gottes«, er war von Gott eingesetzt  – und forderte von seinen Untertanen absoluten Gehorsam. Widerspruch war eine Sünde, hart ging er dagegen vor. Richter: »Seine autokratische Herrschaft ohne Milde führte zu internen Konflikten.« Härte ist aber wenig christlich, weshalb sich Heinrich Sorgen um seinen Platz im Himmel zu machen begann. 

Auch hier fand er einen Ausweg: Er gründete Klöster. Sein Lieblingsprojekt war das von ihm geschaffene Bistum Bamberg. Es diente als Missionseinrichtung und sollte die noch nicht bekehrten Westslawen, also Tschechen, Slowaken und Polen, christianisieren – dem Himmel zum Wohlgefallen und zur Rettung der Seele Heinrichs.

Boden als Startkapital

Das Kapital zur Gründung eines Klosters bestand aus Grund und Boden. Also schenkte Heinrich dem Bistum Bamberg große Ländereien, darunter das heutige Wolfsberg. So wurde der Grundstein zur »Sage« der Entstehung der Bezirkshauptstadt gelegt. 

 Richter verweist aber auf einen anderen Historiker, den 1932 verstorbenen August Jaksch von Wartenhorst, der seine »Lebensarbeit der Kärntner Heimatforschung« widmete, wie es über ihn heißt. Der fand heraus, dass in den 63 Schenkungsurkunden Heinrichs an das Bistum Bamberg keine namentliche Erwähnung der Kärntner Besitzungen existiert. »Man kann also vermuten, dass Jaksch an dieser Schenkung zweifelte«, sagt Richter.

Jaksch und er sehen die Bedeutung Heinrichs II. für das Lavanttal woanders: In der Einsetzung der Eppensteiner als Kärntner Herzogsgeschlecht im Jahr 1012. Denn Markwart IV. von Eppenstein verschenkte um 1057 Wolfsberg und das obere Lavanttal an seinen Bruder Adalbero, dem Bischof von Bamberg. »Und das ist nach Jaksch urkundlich nachgewiesen«, sagt Richter.

Nichtsdestotrotz sind Heinrich und Kunigunde – die kinderlos blieben, denn sie sollen die sexlose »Josefsehe« gelebt haben – auf der 1718 geweihten Pest- bzw. Mariensäule am Hohen Platz in Form von Statuen verewigt. Richter: »Die Besitzgeschichte Wolfsbergs ist ungeklärt. Bis heute gibt es verschiedene Meinungen.« Fest steht nur: Letztlich wurde die Stadt vom Bistum Bamberg gegründet.

All das wird auch an den Schauplätzen in der Stadt erklärt. Das Museum im Lavanthaus bietet zum Thema Heinrich II. Spezialführungen an, meist von Walter Richter geleitet. Buchungen, die sich nach den Terminwünschen der Interessierten richten, sind im Museum möglich: 04352 537-333 bzw. museum@wolfsberg.at.

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