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»Wir4euch«: Über 50 Experten helfen Menschen in Krisensituationen mit kostenlosen BeratungenAusgabe 18 | Mittwoch, 29. April 2020

Mediator Ulrich Wanderer rief die Plattform »Wir4euch« ins Leben, die für die Dauer der Coronakrise kostenlose Telefonberatungen anbietet. Lebensberater, Psychologen und weitere Experten aus Österreich und Deutschland stellen sich dafür zur Verfügung.

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Wolfsberg, Wien. Bereits zu Beginn der Coronakrise machte sich Mediator Ulrich Wanderer Gedanken darüber, wie er mit seinen Fähigkeiten anderen Menschen in Zeiten von Ausgangsbeschränkungen, Kurzarbeit und Jobverlust helfen könnte. »Mein Gedanke war, dass es viele Konflikte und Streit geben wird, wenn die Leute wochenlang zusammen zuhause sein müssen«, erklärt Wanderer. 

Unentgeltliche Telefonberatung 

Aus diesem Nachdenken entstand die Plattform »Wir4euch«, die aus mittlerweile über 50 Mediatoren, Familien- und Lebensberatern, psychotherapeutischen Begleitern, Mobbingberatern und weiteren Experten aus Österreich und Deutschland besteht. Diese stehen für die Dauer der Coronakrise für unentgeltliche Telefonberatungen zur Verfügung (es fallen nur die normalen Telefongebühren an). »Wenn einer alleine ein kostenloses Angebot zur Verfügung stellt, ist das uninteressant. Wenn sich viele zusammenschließen, ist das super«, sagt Wanderer. Er nutzte seine Fähigkeiten und sein Netzwerk: »Zuerst habe ich einmal 15 Telefonate mit Kollegen geführt, und die meisten haben sofort zugesagt.« Dann startete der 49-Jährige die Website www.wir4euch.at, die sich mittlerweile zum Selbstläufer entwickelt hat. Immer mehr Experten stellten sich für die kostenlosen Beratungen zur Verfügung. »Besonders freut es mich, dass auch ein Mediator der Universität Leipzig dabei ist«, ist Wanderer stolz.

So funktioniert »Wir4euch«

Die Namen der Berater sind auf der Website gelistet, und über den Button »Kontakt« wird man auf deren eigene Website, ihre Mail-adresse oder direkt zu ihrer Telefonnummer weitergeleitet. »Es ist schön zu erleben, wie Einzelkämpfer, die am freien Markt eigentlich Konkurrenten sind, jetzt als Team an einem Strang ziehen, um Leuten gratis zu helfen. Auch wir lernen uns so völlig neu kennen«, fügt Wanderer hinzu.

Konflikte mit den Nachbarn

Der geborene Wiener ist mit der aus dem Lavanttal stammenden Datenschutzjuristin Heidi Scheichenbauer verheiratet und lebt in Wien und Wolfsberg. Er ist Autor mehrerer Bücher und Vortragender, seine Schwerpunkte liegen unter anderem in den Bereichen Familien-, Arbeitsplatz- und Nachbarschaftsmediation. Anfragen wegen massiver Nachbarschaftskonflikte waren es daher auch, die ihn bei seiner Arbeit im Rahmen von »Wir4euch« am häufigsten begegnen. »Wenn Kinder lange daheim sind und die Mutter arbeiten muss, geht das ein bis zwei Wochen gut. Dann werden die Kinder aber nervös, und wenn es dann noch nervöse Nachbarn gibt, kommt es zu Konflikten«, nennt Wanderer ein Beispiel. Ebenfalls hoch im Kurs stehen Fragen zum Kontaktrecht.

»Das wichtigste Signal für die Menschen ist, dass da jemand ist, der sie ernst nimmt«
Ulrich Wanderer
Initiator »Wir4euch«

Wanderers Kollegen berichten von vielen Beratungen zum Thema Arbeit und der Angst vor dem Jobverlust. Aber auch chronische Schmerzpatienten, Mobbingopfer oder Menschen, die eine psychotherapeutische Behandlung aufgrund der Coronakrise unterbrechen mussten, suchten bereits Hilfe. »Das wichtigste Signal für die Menschen ist, dass da jemand ist, der sie ernst nimmt«, betont der Mediator, »es gibt für so ziemlich jedes Thema jemanden, mit dem man reden kann.« Wenn sich aus einer oder mehreren telefonischen Beratungen eine Therapie entwickelt, ist diese nicht mehr kostenlos.

Was nach dem Ende der Coronakrise mit der Plattform passieren soll, will Wanderer noch mit seinen Kollegen besprechen: »Je früher wir nicht mehr gebraucht werden, desto besser. Aber ich fürchte, die Krise wird nicht so schnell vorbei sein.« Der Wiener hofft, dass die Gesellschaft die Unbefangenheit im Umgang mit anderen Leuten nicht verliert: »Momentan steht jeder unter Generalverdacht, und das ist ein unheimliches Gefühl.«

»Momentan steht jeder unter Generalverdacht, und das ist ein unheimliches Gefühl«
Ulrich Wanderer
über die Auswirkungen der Krise

Um in der jetzigen Situation positiv eingestellt zu bleiben, hat Wanderer einen Tipp: »Worauf ich mich fokussiere, das sehe ich auch. Und gerade im Frühling ist es noch einfacher, das Positive zu sehen.«

Gedichte zur Coronakrise

Zu Wanderers Hobbys zählen Ultraläufe, die laut ihm »viel relaxter« als Marathons sind, und das Schreiben von Gedichten. Seine jüngsten Verse befassen sich auch mit der Coronakrise. So heißt es etwa in seinem Gedicht »Von neuer Abnormalität und Pappndackn«: »Normal ist und wird’s nie sein, Niemand red mir dieses ein/ Ich will und werd’ mit Freunden plaudern, Pizza essen ohne Zaudern/ Mich in der U-Bahn echauffieren, Weil sich and’re nicht genieren/ Ach, ich freu mich auf die Deppen, die sich vom Wirt nach Hause schleppen/ Es wird auch bald dies wieder geben/ Einfach nur, normales Leben/ Denn, ich will es gar nicht pack’n, den Alltag mit der Pappndackn.«

Keine Scheu vor einem Anruf

Und nicht zuletzt zählt sich der Mediator auch zu den Glücklichen, deren Beruf gleichzeitig  ihr Hobby ist. Wanderer fordert dazu auf, keine Scheu vor einem Anruf bei einem der »Wir4euch«-Experten zu haben: »Die Berater freuen sich, wenn sie gebraucht werden und helfen können.«

Informationen:
Website:
www.wir4euch.at
Infos über Ulrich Wanderer: www.mediation-wanderer.at

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