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»Runder Tisch« zum Asylheim Lamm: Landesrätin sagt Schließung zu – wenn es eine Alternative gibtAusgabe 42 | Mittwoch, 15. Oktober 2025

Politik und Lammer Bevölkerung trafen sich im St. Andräer Rathaus, um über das Asylheim zu sprechen. Der Ton war streckenweise aggressiv, am Heimbetreiber gab es viel Kritik, auch von Landesrätin Schaar. Sie wollte neue Unterkunft suchen – dann trat sie zurück.

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St. Andrä. Die Stimmung war emotional, streckenweise aggressiv. Sie richtete sich vor allem gegen Willibald Schilcher, den Betreiber des Asylheims Lamm in St. Andrä. Der zeigte sich davon nicht sonderlich beeindruckt. Zuletzt musste er sich aber auch von der Kärntner Flüchtlingsreferentin Sara Schaar (SPÖ) deutliche Worte anhören, die sagte: »Wir sind sehr bemüht, Alternativen zu finden. Dann wird es das Asylheim Lamm in dieser Form nicht mehr geben« – wofür sie Applaus des Publikums erntete. Allerdings: Landesrätin Schaar trat wenige Tage nach dem »Runden Tisch« zurück. Ob auch ihr Nachfolger Peter Reichmann an der Schließungsabsicht festhält, wird sich zeigen.

Am Mittwoch, 8. Oktober, ging der »Runde Tisch« zum Thema »Asylheim Lamm« im St. Andräer Rathaus über die Bühne, zu dem die Bischofsstadt geladen hatte. Dabei waren neben Schaar, Bürgermeisterin Maria Knauder (SPÖ) und Schilcher auch Vertreter der zuständigen Landesabteilung und der Polizei. Sie saßen nicht an einem runden Tisch,  sondern am Kopfende der im Rathaussaal aufgebauten Tafel. Zu Wort kamen fast ausschließlich Schaar, Knauder, der Heimbetreiber – und das Publikum, die betroffene Bevölkerung von Lamm. Sie forderte geschlossen die Schließung der Unterkunft für Asylwerber.

»Lamm hat 90 Einwohner – es ist völlig unverständlich, dass 50 bis 70 Asylwerber untergebracht werden«
Eine Anrainerin über die Zahlenverhältnisse

Die Vorgeschichte: Nachdem Ängste der Nachbarn in Lamm an die Stadtpolitik herangetragen worden waren, beschloss der St. Andräer Gemeinderat am 11. Juni eine Resolution an das Land Kärnten, mit der die Schließung der Herberge gefordert wurde. Danach kam es zu einem Vorfall, der den Protest gegen das Heim noch lauter werden ließ: Am 17. August verletzte ein syrischer Bewohner (20) einen 18-Jährigen, ebenfalls aus Syrien, mit einem Messer so schwer, dass das Opfer intensivmedizinisch behandelt werden musste. Ein Großeinsatz der Polizei war die Folge.

Beim »Runden Tisch« sollte die »Situation sachlich erörtert« werden, wie es in der Einladung hieß. In ihrer Begrüßung ging Knauder auf das Messerattentat in Villach am 15. Feber ein, bei dem ein Syrer (23) einen 14-Jährigen getötet und fünf Personen teils schwer verletzt hatte. »Daher gehen die Wogen auch in Lamm hoch«, sagte die Bürgermeisterin, und: »Wir nehmen diese Ängste ernst.« 

Schaar skizzierte die rechtlichen Bedingungen: Der Bund weist dem Land Kärnten eine Anzahl Asylwerber zu, die derzeit nur zu 50 Prozent erfüllt wird. Lamm sei ein Heim mit Vollversorgung, die Bewohner erhalten etwa zwei Monate lang Unterkunft und drei Mahlzeiten täglich, bis sie in die Teilversorgung überwiesen werden. Einrichtungen mit Vollversorgung seien rar, »wir können daher nicht zusagen, dass wir die Lammer Asylwerber woanders unterbringen. Wir suchen aber nach neue Quartieren.«

Das sagten die Betroffenen

Dann die Betroffenen. Nach dem Satz, »es wird nichts passieren, außer es passiert etwas wie am 17. August«, übte ein Anrainer scharfe Kritik an Heimbetreiber Schilcher: »Wenn ich bei ihm nachfrage, beschimpft er mich und droht mit Konsequenzen.« Es sei allgemein  bekannt, dass es in Lamm Missstände gebe, etwa die Trinkwasserqualität, die schlechte Bezahlung der drei Mitarbeiter, die schlechte Qualität für Asylwerber. Der Anwohner weiter: »Was wir am 17. August miterleben mussten, war unzumutbar, ich hatte Angst um meine Familie.« 

Schilcher bezeichnete die Vorwürfe als »halbe Wahrheit«, würde er die behördlichen Auflagen nicht erfüllen, gebe es das Heim nicht. Der Anrainer: »Du machst nur, was du machen musst. Du beschönigst, daher sind wir ja hier.« Wieder Schilcher: »Ich drohe nicht. Es werden über soziale Medien Unwahrheiten verbreitet, wofür ich Entschuldigungen erwarte.« Er gebe sein Bestes, um die Bewohner des Heims – derzeit 47 Personen aus 18 Nationen, 26 Männer im Alter zwischen 20 und 50 Jahren, sowie 20 Frauen und ein Kind – dorthin zu fahren, wohin sie wollen, zum Einkaufen oder zum Arzt. »Es geht keine Gefahr von ihnen aus«, sagte Schilcher, »aber Menschen sind unberechenbar. Wir sagen ihnen, dass sie sich anpassen müssen, um hier leben zu können.«

Eine Anrainerin, die neben dem Heim lebt, schilderte unter Tränen ihre Erlebnisse vom 17. August: Eine Vielzahl bewaffneter Polizisten sei erschienen, am Himmel ein kreisender Hubschrauber. »Jemanden in so eine Situation zu bringen – Wahnsinn. Ich hatte Angst um meine Kinder. Und uns dann auch noch zu drohen – das ist das Letzte«, sagte sie mit brechender Stimme.

Ein weiterer Lammer bezweifelte, dass die Heimbewohner ins Tal gefahren werden: »Sie gehen bei jeder Witterung in Scharen zum Bus. Ihnen ist langweilig. Dieses Heim gehört geschlossen – sofort. Sonst passiert das gleiche wie in Villach.« Lauter Applaus des Publikums. Schilcher hielt dem entgegen, ein Fahrtenbuch zu führen: »Keiner geht zu Fuß.« 

Das wurde nicht akzeptiert. Eine Anrainerin sprach von großen Männergruppen, die im Ort unterwegs seien: »Dass da Angst aufkommt ist, normal.« Lamm habe knapp 90 Einwohner – »da ist es völlig unverständlich, dass hier 50 bis 70 Asylwerber untergebracht werden.« Sie habe Angst um ihre zwei jungen Enkelinnen.

Der St. Andräer FPÖ-LAbg. Jürgen Ozwirk erinnerte daran, dass die St. Andräer Resolution von seiner Partei ausging – und die SPÖ im Landtag einen Antrag auf Schließung abgelehnt habe. 

Schaar: »Der Landtag kann den Vertrag nicht kündigen – deshalb wurde der Antrag abgelehnt.« Sie regte eine Verbesserung des problematischen Verhältnisses zwischen Schilcher und den Anrainern an und rechnete vor, dass Heimbetreiber 25 Euro pro Tag und Bewohner erhalten: »Das ist zu wenig. Ich hoffe, der Tagsatz wird erhöht« – damit neue Unterkünfte geschaffen werden.

Ein Rüffel der Landesrätin

Auch Schilcher sprach sich für regelmäßige Treffen mit den Anrainern aus. Er forderte von der Landesrätin psychologische Betreuung, Deutschkurse vor Ort und Arbeitsmöglichkeiten für die Bewohner in St. Andrä. Die Landesrätin konterte, Deutschkurse, der Transport der Asylwerber und deren Beschäftigung sei bereits vertraglich festgelegt. Schaar: »Es tut weh, wenn jetzt so getan wird, das Land soll das tun.« Denn all das habe vom Betreiber auszugehen. 

Bürgermeisterin Knauder meinte, als die Veranstaltung nach rund 90 Minuten zu Ende ging: »Wir sind alle für die Schließung des Asylheims Lamm.« Das werde aber nicht von heute auf morgen möglich sein ...

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